Vorab muss man eine sehr positive Besonderheit dieses Krankenhauses hervorheben: Durchweg alle Mitarbeiter sind überaus freundlich, nett und – man hat das Gefühl – aufs Äußerste um das Wohlergehen ihrer Patienten bemüht. Jede Person macht auch den Eindruck von Fachkompetenz. Also ein dickes Lob– vor allem an die Pfleger, die unter bekanntlich schwierigen Arbeitsbedingungen stets eine angenehme Miene bewahren. Und wer glaubt dieses sei eine Selbstverständlichkeit in Berliner Krankenhäusern, der irrt sich.
Allerdings ist die Verwaltung – Patienten-Management, Kommunikation und IT Systeme – rein sovietisch angelegt. Es gibt keine gesamte Patientenakten, sondern nur „Fälle“: Jedesmal wenn man das Haus betritt wird eine neue angelegt und die Anamnese und vorangegangene Diagnostik und Behandlungen sind scheinbar „ganz wo anders“ gelagert. Ausserdem arbeitet man hier zu 90% noch auf Papier (in 2023!) so dass Vieles untergeht bzw. dem Richtigen nicht zugänglich ist. Diese schwerfällige Verwaltungsmachinerie ist nicht nur lästig, sondern funkt meiner Meinung nach stark zwischen die Ermöglichung einer ordentlichen medizinischen Fürsorge. Dass eine kaum als steril zu bezeichnende Mappe voll riesiger Mengen von Papier mit dem Patienten in den vor-OP Raum mitkommt ist ein gravierender Verstoß gegen die Hygienenregel.
Bei mir sind zwei Fehler passiert. Am ersten Tag bei der Blasenbiopsie wurde ein Loch in die Blasenwand gemacht. Ich vermute dass dieses aufgrund fehlender praktischer Erfahrung bzw. Routine mit der weiblichen Anatomie geschah, da die Urologie-Abteilung stark auf Männerkrankheiten fokussiert ist. Das hat dazu geführt, dass ich zwei Wochen – festgebunden an einer „Dauerspülung“ – im Krankenhaus beim Däumchen Drehen verweilen musste. Als nächstes wurde ich – entweder bei Einlage der Harnleiterschiene oder direkt bei der OP – mit einem KH-Keim infiziert. Nicht lange nach der Entlassung hat dieser Keim zu einer Blutvergiftung geführt. Diese wurde mit von der Hausärztin mit Antibiotika behandelt, kam aber nur Tage später wieder. Da ich beim zweiten Mal sowieso einen Termin im Krankenhaus hatte, um die Schiene wieder einzusetzen, hat die (niedergelassene) Urologin gesagt, ich solle dies dort melden. Die junge Ärztin in der Urologie-Aufnahme hat zugehört, den Zettel von der Aussenärztin angeschaut, verließ das Zimmer um Rücksprache mit einem Oberarzt zu halten, und mich schnell in die Notaufnahme regelrecht abgeschoben.
Der junge Notarzt hat mir nicht zugehört, mir nicht geglaubt, und hat die Einweisung nicht gelesen, in der stand, dass mit aller Wahrscheinlicheit ein Keim im oberen Harnweg den Infekt verursacht. So lag ich neun Stunden auf einer steinharten Liege bei 40 Grad Fieber, schweißgebadet, mit schwerem Schüttelfrost und einem Harndrang, der mich alle zwei Minuten auf Gummibeine zur Toilette sprinten ließ. Gleichzeitig führte der junge Notarzt – Tabula Rasa gleich (s. oben, neuer „Fall“) das 101 Diagnostik-Protokoll durch, inklusive mehrerer Ultraschalluntersuchungen. Zwichendurch kam er und sagte man müsse mir Notfall bezogen die Gallenblasen herausoperieren. Eine Stunde später hieß es, nein keine Gallenblase, es sei ein Herzdefekt: Wenn die Erfahrung nicht so kafkaesk gewesen wäre, hätte man das teilweise Monty Python zuordnen können.
Nach diesem traumatischen Tag in der Notaufnahme wurde ich bei der inneren Medizin aufgenommen, die die Sepsis und den Keim bestätigt hat. Trotzdem hat die Urologie nach nur einigen Tage anti-biotische „Unterdrückung“ erneut eine Schiene eingesetzt und die Folge-OP durchgeführt. Weil das Krankenhaus mit modernen Kommunikationsmitteln (Telefon, Fax, E-Mail) keine Information herausgibt, sondern nur mit Post, erreichte mich ein Laborbericht, der Aufschluss über den Infekt gegeben hätte, erst Wochen später . Zu dem Zeitpunkt war ich aber schon wieder schwer erkrankt mit dem dritten Anfall der Blutvergiftung. Ein Anruf von meiner Ärztin auf der Suche nach Beratung wurde vom Oberarzt der Urologie abgewiesen, nach dem Motto „nicht mehr unsere Baustelle“.
Ob die Aberkennung des Infekts eine bewusste Entscheidung (um die Statistiken „sauber“ zu halten) oder eine Aneinanderreihung von Menschen- bzw. Systemversagen war, kann ich nicht beurteilen. Das Endresultat für mich war aber, dass ich mit dem Wissen über einen tiefsitzenden, schwer behandelbaren Keim entlassen wurde, der fast ein Jahr lang mehrmals in eine lebensbedrohliche Sepsis gemündet ist. Damit wurde ich vom Franziskus Krankenhauses und seinen Urologen vollkommen allein ge- bzw. verlassen.
Ein besseres – zumal digitales und für behandelnde unmittelbar zugängliches Behandlungs- und Datenmanagement hätte mir und vermutlich vielen anderen Vieles erspart.
Denn so freundlich, bemüht und zugewandt wie das Personal auch sein mag, bei solchen Missmanagement, fehlender Kommunikation und altertümlichen IT Systemen, hätten die besten Spezialisten – sogar Albert Schweitzer – keine erfolgreiche Arbeit leisten können.