Fallbeschreibung:
Im Newsletter wurde anlässlich des Welttags der Patientensicherheit auf das Online-Meldesystem aufmerksam gemacht. Wie Sie sehen, habe ich einige Wochen gebraucht, um das, was ich im Rahmen von Psychotherapien erleben musste, in Worte zu fassen und an Sie zu melden.
Ich habe im Verlauf der letzten 10 Jahre mehrfach versucht, meine Angst- und Panikattacken mit Unterstützung durch Psychotherapien in den Griff zu bekommen, um endlich halbwegs angstfrei leben und handeln zu können. Anlass war, dass meine Mutter den Menschen, an den sie mich als Kind jahrelang zu Missbrauch und Vergewaltigungen ausgeliefert hatte, wieder in die Familie zurückholte, als die Töchter meines Bruders in dem Alter waren, in dem ich missbraucht werden konnte. Der Täter ist nie angeklagt worden, mein Vater ist fast auf den Tag genau sieben Jahre, nachdem er alles erfahren hatte, gestorben.
Ich hatte den Missbrauch lange verdrängt, dennoch hat er jeden Tag mein Leben und Handeln beeinflusst. Mein Leben ist und war geprägt von starken Unterleibsschmerzen, meine Gebärmutter musste entfernt werden, die Schwangerschaft war durch die ständigen Schmerzen grauenhaft (aber unser Kind ist ein toller Mensch!). So oft schmerzt der ganze Körper so heftig, dass ich keine Kraft mehr für den Alltag habe. Und die ohnmächtigen Panikattacken und Angst vor Erstickung begleiten mich ebenfalls mein ganzes Leben.
Ich hatte mir Hilfe von Psychologinnen erhofft, aber dann wurde alles nur noch schlimmer. Und es wiederholte sich, so dass ich nicht mehr von zufälligen Einzelfällen sprechen kann.
In den Therapien wurde mir oft schon in der ersten Sitzung gesagt (auch bei den einmaligen probatorischen Sitzungen), dass sie das nicht glauben können, dass eine Mutter so etwas nicht tut. Meine Mutter wurde sofort entschuldigt mit wahlweise Kriegstrauma, selber missbraucht oder dazu gedrängt. Der Vergewaltiger wurde verharmlost mit Sätzen wie: Der hat Ihnen nur das gegeben, was Ihnen Ihre Eltern nicht gegeben haben, der hat es nicht so gemeint, und es wurde von sanftem Missbrauch gesprochen (was auch immer das sein soll).
Die Schuld wurde mir gegeben, indem das Resultat des Missbrauchs genommen wurde um zu begründen, warum ich missbraucht werden konnte. Sehr schlimm war für mich, als meinem Vater die Schuld an meinem Missbrauch gegeben wurde. Oft kam auch, selbst nachdem ich vom Täter gesprochen hatte, die Frage: War es ihr Vater?“.
Obwohl die Therapeutinnen keine direkten Zeuginnen waren, haben sie das Geschehene umgeschrieben. Wenn ich widersprochen habe, wurden sie aggressiv bis hin zu Kreuzverhören im Rahmen der Therapie oder aber auf einmal keine Termine mehr.
Das Erlebte wurde verdreht und aus der Wahrheit wurden Lügen und aus den Lügen Wahrheiten. Damit haben sie meine Kindheit fortgeschrieben, das Narrativ beider Täter übernommen und so diesen die Macht gegeben, die sie all die Jahre über mich hatten. So sind in den Therapien aus den Tätern Opfer geworden und sowohl mein Vater als auch ich zu Tätern gemacht worden. Damit wurde sowohl die Täterstrategie fortgesetzt als auch meine ausweglose Angst und panische Ohnmacht verstärkt. Hätte ich nicht meinen Mann und unser Kind, ich war jeweils kurz davor, mit Selbstmord vor diesen Schuldzuweisungen, Verdrehungen und Anklagen zu flüchten.
Was meinen Mann am meisten aufgeregt hat, war von 2 Psychologinnen die Festlegung auf Borderline-Störung schon nach dem ersten Gespräch. Was mich besonders belastet, ist die Aussage einer Psychologin, aus Opfern würden Täter werden und sie würde mir noch nachweisen, wo ich Täter geworden bin.
Diese Opfer-Täter-Umkehr ist eine so fürchterliche Unterstellung. Ich habe mir die dieser Aussage zugrunde liegenden Studien angeschaut. Diese wurden an verurteilten Straftätern in Gefängnissen durchgeführt. Das Einzige, was ich aus diesen Studien lese, ist, dass Verurteilte, die Kinder sexuell missbraucht haben, häufiger sagen, die seien selber als Kinder missbraucht worden, als Verurteilte, die keine Kinder sexuell missbraucht haben. Warum lassen sich selbst PsychologInnen von den Tätern manipulieren und belasten damit alle Missbrauchsopfer schwer?
Gut gelaufen:
Leider kann ich nichts positives berichten.
Schlecht gelaufen:
Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich nur feststellen, dass, so lange die Täter nicht gesehen werden wollen, solange nicht gesehen werden will, wie strategisch und manipulativ die Täter vorgehen, solange deren Taten nicht gesehen werden wollen und bagatellisiert werden, die Täter die Macht haben. Somit ist kein Kind vor ihnen geschützt, und für die Opfer ist der Missbrauch nicht zu Ende.
Sexueller Missbrauch ist keine sexuelle Beziehung, weder für den Täter noch für das Kind. Für den Täter ist es Macht (in meinem Fall über meinen Vater und den Vorgesetzten, der unmittelbar neben uns wohnte), für das Kind ist es Ohnmacht.
Verbesserungsvorschläge:
Ich denke, wenn Psychologen nicht wissen, wie hoch manipulativ Missbrauchs-Täter und deren Unterstützer sowohl bezüglich auf ihr Opfer als auch auf die Umwelt vorgehen, sollten sie Missbrauchsopfer nicht therapieren. Angesichts der Vermutung, dass 10 Prozent der Bevölkerung als Kind missbraucht werden konnte, sollten die Täterstrategien in jeder psychologischen Aus- und Weiterbildung, und auch in der Arztausbildung, Thema sein.
Weitere Infos:
Mit der Hoffnung, dass sich hier etwas ändert und die Gesellschaft den Mut findet, Täter und Taten beim Namen zu nennen, verbleibe ich mit freundlichen Grüßen.
Infos zum Fall:
Perspektive:
Patientin oder Patient
Alter:
50-69 Jahre
Art der EInrichtung:
Ambulante Praxis, Psychotherapiepraxis
Geschlecht:
weiblich