Fallbeschreibung:
Mein Vater wurde in einem renomierten Krankenhaus zu einer Herz-Bypass-OP aufgenommen. Nach erfolgter OP wurden wir nachmittags angerufen, es wäre alles gut verlaufen und wir könnten ihn am Folgetag besuchen. Abends klingelte das Telefon, die Bypässe waren gerissen, er war im OP. Kurz darauf erneuter Anruf, er habe die OP überstanden (musste jedoch reanimiert werden).Nachts der nächste Anruf, die Bypässe waren erneut gerissen, man konnte ihn nicht mehr in den OP bringen, sondern musste den Brustkorb noch auf der Intensiv öffnen. Er wäre jetzt auf dem Weg ins Herzkatherlabor, wir sollten ein Kerzchen aufstellen, die Chancen stünden 50:50.
Dann hörten wir fast 12 Stunden nichts – es war kaum auszuhalten. Schließlich rief ich an, der Arzt sagte mir, dass er Stents erhalten habe und auf der Intensiv sei und man abwarten müssen. Eine Stunde später ein weiterer Anruf, bitte kommen sie ins Krankenhaus. Man sprach über den möglich Verlauf mit uns – wir wiesen darauf hin, dass er eine Patientenverfügung hat!
Völlig entsetzt waren wir darüber, dass man OHNE Schutzkleidung, Kittel, Maske zu den Patienten auf die Intensivstation durfte. (Dies vermute ich als Hauptursache für das qualvolle Leiden was später berichtet wird).
Wir besuchten ihn jeden Tag, ca. 3 Tage nach den OPS erfolgte morgens ein Anruf, man müsse einen Luftröhrenschnitt machen, wir willigten ein. Es folgten schlimme Tage, bis er langsam wach wurde. Da er sich die Schläuche entfernen wollte und auch ansonsten sehr unruhig war, gaben wir unsere Einverständniserklärung zur Fixierung. Diese wurde vom Gericht für zwei Wochen genehmigt.
Nach ca. zwei Wochen wurde er auf eine „mittlere“ Intensiv verlegt, dort mussten wir uns anhören, er habe sich selbst die Sonde aus der Nase gezogen und das er überhaupt kein Fall für diese Station sei und falls doch, müsse das geklärt werden zwecks Spezialmatratze. (Diese bekam er übrigens zwei Monate später). Man versuchte ihm die Sonde neu zu legen und ich muss es jetzt laienhaft ausdrücken, mein Vater berichtete, die Sonde sei zu dick gewesen und es wäre dadurch äußerst schmerzhaft gewesen und es hätte letztendlich nicht funktioniert.
Eine Pflegekraft verlangte von ihm ein Schreiben für eine Reha zu unterschreiben. Als meine Mutter zu ihm kam, weinte er und berichtete, dass er nicht in die ausgesuchte Rehaklinik möchte und er nicht weiß, was er überhaupt unterschrieben hat. Auf Nachfrage bei der Pflege, gab diese meiner Mutter keine Auskunft. So dass ich den Sozialdienst anrief und wir das klären konnten.
Endlich wurde er auf die Normalstation verlegt und hier wurde die Logopädie fortgesetzt, da er seit seinem Luftröhrenschnitt kaum Essen und Trinken konnte. Ich erinnere mich noch, dass er geduscht wurde und ein Poloshirt trug, welches plötzlich nässende Flecken auf Brustkorb höhe hatte. Er wurde erneut operiert und erhielt eine VAC-Pumpe. Man sprach von Keimen, die aufgrund der OP auf der Intensivstation in die Wunde gekommen sind. Sein Martyium begann!
Meinem Vater setzte das alles psychisch sehr zu, so dass bei den Ärzten, um einen Therapeuten gebeten habe, es hiess, es gibt keinen!
Es folgten unzählige Verbandwechsel auf der Station, Verbandwechsel unter Narkose, jede Narkose führte dazu, dass mein Vater verwirrter wurde. Wir mussten stets, um Ringerlösung bitten, da er nicht genug trank.
Tägliche Ergo- und Krankengymnastik, hier baten wir das Pflegepersonal dafür Sorge zu tragen, dass der Mann nicht nur mit Schlafanzug bekleidet durch das Haus gefahren wird, sondern ihm einen Jogginganzug anzieht – eine Erkältung brauchte er in diesem Zustand nicht auch noch. Doch es wurde ignoriert. Genauso wie die unzähligen Bitten, im das Brot in kleine Stücke zu schneiden oder die Marmeladendöschen zu öffnen – Du hast zwei gesunde Hände – musste er sich oft genug anhören.
Es waren Achterbahntage, kurz vor Weihnachten ging es bergab. Meine Mutter brachte ihm täglich das Essen, da er kein püriertes Essen erhielt. An einem Wochenende sagte ich den Ärzten, er habe Angst sich zu verschlucken und würde deshalb nicht esse, ich zeigte ihr den Gulasch püriert im Thermomix. Ich sagte, ich würde die Logopädie selber zahlen, aber er müsse essen. Es hieß, es medizinisch notwendig, wir veranlassen es – die Logopädin kam NIE wieder!
Mein Vater hustete seit Tagen sehr stark (das mit offenem Brustkorb) er bekam kaum Hustenmittel. Ein Arzt/ Eine Ärztin verringerte den Sog der Pumpe und ordnete ein Röntgenbild an, man erkannte die eine Lungenseite nicht mehr. Es folgten Punktionen und Drainagen. Ich bat die Ärzte eine PEG zu legen, nein, lautete die Antwort, dass ist eine weitere Wunde.
Er wurde wieder auf die „mittlere“ Intensiv verlegt. Hier ordnete man am 1. Weihnachtstag ein, dass er eine Nasensonde erhält. Ich kann mir heute nicht verzeihen, dass ich das zugelassen habe. Zwei Pfleger versuchten ihm ohne leichte Betäubung die Sonde zu legen. Er wehrte sich, schrie und schlug. Ich bin zu ihm und wollte ihn beruhigen, bat ihn zu schlucken. Ich habe ihn noch nie so erlebt. Man warf mich heraus. Meine Mutter hatte an diesem Tag Geburtstag und man „qäult“ ihn so. Am 2. Weihnachtstag besuchten wir ihn nicht, wollte ihm Ruhe gönnen, der einzige Tag in all den Monaten. Wir kamen am nächsten Tag – er fragte – wieso habt ihr mich solange alleine gelassen?
Er hatte eine Sonde, die er mit leichter Betäubung, vom Arzt/ von Ärztin gelegt bekam. Wieso konnte man das nicht direkt machen??? Am nächsten Tag folgte die Lungenspiegelung. Auf der Intensivstation sagte ein Arzt/ eine Ärztin, dass er ja nicht mobil sei und wie KZ-Häftling aussieht – Für diese Aussage entschuldigte er/ sie sich später.
Man brachte uns auf die Intensiv, er war noch nicht wach, der Beamtungsschlauch im Mund, er wurde wach und würgte, ich beruhigte ihn und er hatte KEINE Sonde mehr. Man fragt sich als Angehörige, wieso quält man jemanden so sehr – sagt ständig er muss essen und zieht nach 3 Tagen die Sonde???
Wir mussten ständig „Astronautenkost“ einfordern, genauso wie Schmerzmittel.
Ich schrieb einem Operateur/ einer Operateurin einen persönlichen Brief mit der Bitte, ihm zu helfen.
Es folgten weitere Verbandwechsel mit und ohne Narkose. Eines Abends kam ich zu ihm und er schimpfte, er konnte den Teller nicht erreichen, der Tisch stand viel zu hoch über dem Bett und die Klingel an der WAND!
Als ich die Pfleger darauf ansprach hieß es, ist beim umbetten passiert. Ich fragte wie es sein kann, dass ein Mann mit Schluckschwierigkeiten eine Gemüsesuppe mit ganzen Bohnen bekommt? Sie antwortete, sie hätte nicht gewusst, dass er püriertes Essen erhalten soll! Des Weiteren bat ich darum, meinem Vater Flüssigkeit anzuhängen, darauf hin, sagte man mir, zuviel ist auch nicht gut. Das er kaum trinkt, war seit dem ersten Tag bekannt. Eine menschliche Pflege kam, sie stellte fest, dass er verwirrt ist und der Hauttest zeigte, ausgetrocknet und Fieber hatte er auch. Tage später bat ich, um Hustensaft, er würde keinen bekommen, dann geben sie ihm welchen für Kinder, den hätten sie nicht.
Einmal war der Urinkatheter verschlossen, er hatte starke Schmerzen.
Eine Schwester warf meiner Mutter vor, er habe mehr als 30 mal nach ihr gerufen, deshalb erhielt er ein Beruhigungsmittel. Man hätte uns anrufen kommen, wir wären sofort gekommen.
Man hatte ihn in der Zwischenzeit in ein Einzelzimmer „abgeschoben“. Nach einem Verbandwechsel in Narkose, fand man ihn auf dem Boden liegend in einer Blutlache. Darauf hin kam er wieder auf die „mittlere“ Intensiv. Hier war er völlig verwirrt, erzählte Dinge die Jahrezehnte zurücklag und war auch mir gegenüber nicht wohlgesonnen. Ich sagte dem Arzt/ der Ärztin, dass er völlig verwirrt sei – seine Antwort – er will seine Familie nicht sehen und liess mich stehen. Eine nette Pflege ging zu ihm und dann konnte ich zu ihm und er lächelte – als er mich sah.
Nachdem meine Mutter der Stationsleitung von der Klingel an der Wand berichtet hatte, mussten wir immer bei Schwestern/Pflegern das Zimmer verlassen. Die Pflege sagte, ich habe hier das alleinige Sagen. Meine Mutter sah einen Arzt/ eine Ärztin und wollte wegen einer weiteren OP etwas fragen, als ihr die Pflege hinterher lief und sich ins Gespräch mischte, ob sie sich beschwert hätte – mein schwerkranker Vater sass alleine an der Bettkante!
Es hiess nahezu wöchentlich, der Brustkorb wird verschlossen, dann war von einer Verlegung die Rede, dann hiess es MRSA, dann wieder doch ein Hautkeim.
Wir wollten mit dem Chefarzt/ der Chefärztin sprechen, doch wir waren uns einig, dass mein Vate dies zu spüren bekommt. Nach dem Sturz schlief ich nach jeder Narkose bei ihm, in einer Nacht hörte ich ein Zischen aus seiner Brust, noch bevor die Pumpe Leckage anzeigte. Die Pflege versuchten es abzudichten, doch es wurde nicht dicht. Da habe ich gesehen, dass er einen Schwamm in der Brust trägt. Wenn man sich das vorstellt, wie schmerzhaft das sein muss, dann weiss man wie sehr mein Vater gekämpft hat. An Wochenende hiess es immer vom Diensthabenden – ich kenne die Wunde nicht, sage der Schmerzambulanz Bescheid, aber ob heute jedmand kommt….
Ich glaube die 13. Narkose stand an. Als man ihm Blutkonserven brachte, konnte er nicht mal mehr die Hand drücken. Es sollte ein CT erfolgen, dass war aber aufgrund der Umbettung nicht möglich, eine Verlegung auf die „mittlere“ Intensiv erfolgte. Hier wollte die Pflege ihn wieder schnell abschieben. Jetzt endlich sprach man von einer PEG!!
Ich hatte kein gutes Gefühl nach dieser Verlegung, so dass ich am frühen morgen in die Klinik bin. Man hatte ihn auf das Zimmer abgeschoben. Er war völlig aphatisch, konnte nicht sprechen und sah sehr schlecht aus.
Da er schief im Bett lag, rief ich jemanden, um ihn hochzuziehen. Er gab schmerzhafte Laute von sich. Ich wollte sehen, ob er Strümpfe an hat und sah, dass er am Fuß fixiert war. Sofort klingelte ich und fragte, wie man ihn verlegen kann und er ist fixiert und wer überhaupt hat das genehmigt (man warf mir später vor, ich hätte die Genehmigung erteilt).
Ich wich nicht mehr von seiner Seite, nachts war er zunehmend unruhig und die Pupillen zeigten keine Reaktion. Ich bat, um ein CT, der herbeigerufene Arzt/ Ärztin sagte, er hat nichts am Kopf. Ich war so wütend, sagte, ich hoffe sie sind der/ die erste und letzte Arzt/ Ärztin den er sieht.
Endlich kam der Diätässistentin nach 3 Monaten – dieser sagte, es wäre alles möglich gewesen, die Station hätte nur bestellen müssen – es war ein Schlag ins Gesicht!
Die Ereignisse überschlugen sich, plötzlich kam der Chefarzt/ die Chefärztin. Ich bat, um ein Gespräch- Dieses fand auf dem Flur!!! statt. Ich wies erneut auf seine Patientenverfügung hin. Man versuchte noch ein Gegenmittel gegen die Narkose zu spritzen, es ging ihm einigermassen. Abends hatte ich kein gutes Gefühl, ich rief meine Mutter an. Wir beide schliefen bei ihm. Am nächsten Tag hatte er 39,6 Fieber. Der Chefarzt/ Die Chefärztin kam, ich bat darum die Pumpe zu entfernen. Das ginge nicht, dann würde der Körper explodieren. Flüssigkeit und Morphium sollte er bekommen. Mein Wunsch nach einer Verlegung ins Hospiz wurde abgelehnt. Es könne noch Tage oder Wochen dauern. Man stach ihn mehrmals zur Blutzuckermessung, obwohl kein Blut kam. Warum ging man nicht an den ZVK? Ein Schild hing an der Tür, vor Eintritt bei der Pflege melden. Das interessierte manche wenig, die wollten herein und wollten den Rollator, meine Mutter konnte sie noch abhalten. Man möchte in einer solchen Situation alleine sein.
Merkwürdigerweise schauten alle Pfleger und Schwestern bei ihm vorbei.
Sein Zustand verschlechterte sich, ich bat darum das Morphium zu erhöhen. Gerade als sich der/ die Ergotherapeut/in verabschiedet hatte, stand ich neben ihn und er starb!
Ich weiß nicht mehr, welcher Arzt/ welche Ärztin es war, aber er/ sie sagte bei Bestätigung des Todes – schade, um die ganze Arbeit!!!
Danach sind noch mehrere Ungereimtheiten vorgefallen, aber das ist das wichtigste. Der Kampf war unbeschreiblich, aber ohne Erfolg!
Gut gelaufen:
Die wenigen menschlichen Ärzte/-innen und Pfleger:innen.
Bei ihnen steht das Wohl des Menschen an erster Stelle und auch die Angehörigen werden mit eingebunden.
Schlecht gelaufen:
Man sollte offen kommunizieren!
Und einen Mensch auch als Menschen behandeln. Jeder von uns kann einmal in diese Sitution geraten.
Verbesserungsvorschläge:
Hgyienemaßnahmen in allen sensiblen Bereichen
Weitere Infos:
Ich habe diese Schilderung an die Patientenfürsprecher dieses bis dato renomierten Krankenhauses geschickt – bis heute keine Reaktion.
Infos zum Fall:
Perspektive:
Angehörige oder Angehöriger einer Patientin oder eines Patienten
Alter:
70-79 Jahre
Art der EInrichtung:
Krankenhaus, Aufwachraum, Intensivstation, Normalstation, sonstiger Bereich
Geschlecht:
männlich