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2024-1563

Schlaganfall bei jungem Patienten nicht erkannt und innere Blutung als Folge von Eingriff

Fallbeschreibung:

Ich bin morgens aufgewacht, hatte leichte Kopfschmerzen und konnte meine linke Körperhälfte nicht mehr spüren (bspw. kein Unterschied zwischen kaltem und heißem Wasser). Wir alarmierten den Rettungsdienst. Die Rettungssanitäter führten einen FAST-Test für Schlaganfälle durch, der aber unauffällig war. Trotzdem wurde ich mit in die Klinik genommen. In der Notaufnahme fiel mir ständig das Handy aus der Hand und ich hatte das Gefühl nur unrund gehen zu können. Die behandelnde Ärztin sagte, ein Schlaganfall wäre in meinem Alter sehr unüblich und sie würde mich ungern der Strahlenbelastung aussetzen, die mit einem CT verbunden ist – es wäre wohl eine Migräne. Eine Diagnose zu diesem Zeitpunkt hätte Langzeitschäden vielleicht noch verhindern können, da das Lyse-Fenster vermutlich noch nicht geschlossen war. Ich verbrachte das Wochenende zuhause. Ein befreundeter Radiologe riet dazu, unbedingt wieder in die Notaufnahme zu fahren. Dies tat ich am Montag. Die Mitarbeiter waren sehr verwundert, warum ich „denn schon wieder da“ sei. Ich habe nachdrücklich kommuniziert, dass es nicht normal sei, dass ein junger Marathonläufer plötzlich nicht mehr richtig gehen kann und er seinen Körper nicht mehr spürt. Der Arzt veranlasste daraufhin ein MRT, das schnell durchgeführt wurde. Zum MRT-Raum durfte ich noch selbst gehen. Als ich herauskam, stand ein Rollstuhl vor der Tür – ich dürfe nun nicht mehr laufen. Diagnose: Apoplex. Ich verbrachte einige Tage auf der Intensivstation und danach Normalstation. Überwiegend waren meine Erfahrungen mit den Ärzten und dem Pflegepersonal hier gut, ich habe mich (den Umständen entsprechend) wohlgefühlt. Lediglich das Telefongespräch auf der Intensivstation mit einer Neurologin von einer anderen Klinik, die mich aufklären sollte, war katastrophal. Auf meine Frage, ob ich jetzt mein Leben lang Medikamente nehmen müsse, wurde mit „Was denken Sie denn, Sie hatten einen Schlaganfall!“ geantwortet. Empathie (oder auch nur respektvoller Umgangston), Fehlanzeige. Danach habe ich 3 Wochen in einer Reha verbracht. Dass Kureinrichtungen heutzutage kein W-LAN auf den Zimmern haben, ist meiner Meinung nach nicht mehr zeitgemäß. Dazu kommt schlechtes Essen. Beides trägt nicht zur Erholung bei, im Gegenteil. Ich habe die Reha frühzeitig verlassen, weil ich, wie fast alle anderen Patienten auch, eine Corona-Infektion hatte, die ich lieber zuhause auskurieren wollte. Bei jungen Schlaganfall-Patienten ohne Risikofaktoren liegt oft ein sogenanntes persistierendes Foramen Ovale (PFO) vor. Ein kleines Loch zwischen den Herzkammern. Es wird geraten, dieses operativ verschließen zu lassen. Etwa 2 Monate nach dem Schlaganfall hatte ich hierfür einen Termin in einer anderen Klinik. Der Eingriff erfolgte minimalinvasiv, mit einem Katheter über die Leiste. Ein Schlauch wurde über eine Vene bis zum Herz vorgeschoben, wo dann ein Schirmchen aufgespannt wurde, welches das PFO verschließt und das Risiko zukünftiger Schlaganfälle reduziert. Während der OP punktierte der Chirurg versehentlich eine Arterie im Bauchraum, bemerkte dies aber nicht. Er setzte das Schirmchen ein und ich wurde als „komplikationsfrei“ an die Station übergeben. Dort wurden meine Vitalparameter nicht weiter überwacht. Dass etwas nicht in Ordnung war merkte ich erst, als ich aufgrund der starken inneren Blutungen kurzzeitig nichts mehr sehen konnte (Blutdruckabfall). Die Schwester wurde gerufen und stellte einen Puls von 150 (!) fest (normal liegend habe ich da vielleicht 45). Ärzte wurden hinzugezogen. Arbeitshypothese: Dehydratation. Ich habe intravenös Kochsalzlösung verabreicht bekommen. Dies hat vorzeitig geholfen, aber die Ärzte haben es verpasst, die korrekte Diagnose (innere Blutung) in Betracht zu ziehen oder zu prüfen. Einige Zeit später fiel meiner Mutter und mir auf, dass mein Bauch um den Druckverband herum sehr stark angeschwollen und verhärtet war. Die Ärzte wurden erneut alarmiert und haben dann den Ernst der Lage sofort erkannt. Gefühlt die ganze Station hat sich auf meinem Zimmer versammelt und ich wurde schnell zu einem CT geschoben, wo die Blutung gefunden und durch händisches Pressen eines Arztes verschlossen wurde. Ich verbrachte mehrere Tage auf der Intensivstation und einen weiteren Tag auf der Normalstation. Mein Bauch sah aus wie eine Tomate, wegen des massiven Hämatoms. Ich wurde dann entlassen, obwohl mein Ruhepuls bei 110 lag, in der Nacht immer das Sauerstoffgerät gebimmelt hat (weil meine Sättigung abfiel), und der Gang der Toilette mit einem Puls von 170 regelmäßig die Schwestern alarmiert hat. Ich hätte darauf bestehen sollen, in diesem Zustand nicht entlassen zu werden. Auf der Rückfahrt im Auto haben sich beim Sitzen Blutblasen auf meiner Haut gebildet. Am nächsten Tag wurde ich bei meiner Hausärztin vorstellig. Obwohl ich bis direkt vor die Tür gefahren wurde, war der Weg dorthin kaum zu bewältigen. Das Erste, was sie zu mir sagte, war: „Was machen Sie hier, Sie gehören in ein Krankenhaus!“ Sie versuchte mich erneut einweisen zu lassen, indem sie eine Ultraschalluntersuchung vom Bauch durchführte. Da hier aber nichts Auffälliges zu sehen war, wurde ich nicht erneut ins Krankenhaus gebracht. Wieder zuhause angekommen, bekam ich, während ich im Bett lag, plötzlich ein massives Gefühl von Kälte. Es fühlte sich an, als ob die Luft Minusgrade hätte, obwohl es sicher gut 22 Grad waren. Einige Minuten später merkte ich ein Ziehen im Bauch. Zuerst war ich unsicher, was passiert war, aber mit einsetzendem Kaltschweiß und aufkommender Panik war klar: Die Arterie ist wieder geöffnet. Wir alarmierten den Rettungsdienst. Dieser war überaus schnell da und hat den Ernst der Lage recht schnell (aber nicht sofort) erkannt. Eine Notärztin wurde hinzugezogen. Ich konnte zwischenzeitlich nicht mehr Sehen und Hören. Diagnose: Hämorrhagischer Schock. Mit viel Alarm wurde ich schnellstmöglich zurück in die Klinik gebracht, wo ein Ärzteteam im Schockraum bereits wieder wartete. Aufgrund der starken Schmerzen war ich zu diesem Zeitpunkt vom Morphin bereits ziemlich verhangen. Zum Glück hat der Notfallchirurg die Blutung stoppen können und auch das Rettungsteam hat sehr gute Arbeit geleistet, ansonsten wäre ich verstorben. Mein Hämoglobin-Wert war zwischenzeitlich bei 4 g/dl, was weit unter der kritischen Schwelle liegt, bei welcher Lebensgefahr besteht. Ich rede mir ein, dass der sehr gute Zustand meines Herz-Kreislaufsystems vom Ausdauersport zu meinem Überleben beigetragen hat. Insgesamt habe ich 4 oder 5 Bluttransfusionen erhalten. Erneut auf der Intensivstation entwickelte sich zusätzlich Lungen- und Blasenentzündung. Diese wurden mit Antibiose behandelt. Die meisten Arztvisiten waren leider informationsarm, desinteressiert, und empathielos. Auch etwa ein Jahr später bin ich immer noch schockiert, wie man Menschen in lebensbedrohlicher Notlage so gegenübertreten kann. Der Arzt, der die OP durchgeführt und die Arterie verletzt hat, hat allerdings etwas Verantwortung übernommen und mich hin und wieder besucht (auch, wenn seine Nachfrage, ob er mir ein Steak bringen solle, während ich halbtot und blutverschmiert vor ihm lag, schon befremdlich war). Ich wurde dann erneut entlassen, obwohl meine Thrombozytenwerte mit 750.000 (und Tendenz steigend) bedenklich erhöht waren. Insbesondere aufgrund meines Risikoprofils mit vorheriger Blutung und Schlaganfall-Historie, halte ich auch diese Entlassung für unverantwortlich. Am nächsten Tag bei meiner Hausärztin war der Wert bei 1.150.000, weswegen sie mich erneut in die Klinik einweisen ließ. Dort verbrachte ich einen weiteren Tag, bevor ich endgültig entlassen wurde. Es dauerte etwa 2 Monate, bis ich mich wieder halbwegs bewegen konnte und etwa ein halbes Jahr, bis ich in der Lage war, wieder wie üblich Sport zu treiben. An der vernarbten Stelle habe ich nun hin und wieder noch leichte Schmerzen, aber keine großen Bedenken mehr, dass die Arterie wieder aufplatzt. Insgesamt war das alles eine ernüchternde Erfahrung mit dem Gesundheitssystem. An vielen Stellen wurde der Ernst der Lage nicht erkannt, es wurden operative Fehler gemacht, und ich wurde zu früh entlassen, was zu lebensgefährlichen Komplikationen geführt hat. Zudem glänzten die meisten behandelnden Ärzte durch mangelndes Interesse und niedrige Empathie. Aber gab Ausnahmen. Auch die Rettungsdienste haben sehr gut funktioniert. Die meisten Pflegekräfte waren ebenfalls gut.

Gut gelaufen:

Die Rettungsdienste: Schnell da, sehr empathisch, zügige Diagnose des lebensbedrohlichen Zustands, schneller Transport in Klinik. Das Pflegepersonal. Zumeist freundlich und hilfsbereit (aber auch hier gab es einige Ausnahmen, bei denen ich mir an den Kopf fasse)

Schlecht gelaufen:

Schlaganfall nicht diagnostiziert, obwohl Schäden vielleicht noch reversibel waren. Reha-Klinik eignet sich nicht gut zur Erholung. Lebensbedrohlicher Fehler bei operativem Eingriff und mangelhaftes intraoperatives Monitoring von Komplikationen sowie mangelnde Überwachung von Vitalparametern nach der OP. Zudem fehlerhafte Diagnose, selbst nachdem Vitalparameter nicht in Ordnung waren. Frühzeitige und lebensbedrohliche Entlassung aus der Klinik.

Verbesserungsvorschläge:

Ärzte schienen überlastet, was vllt die mangelnde Zuwendung zu Patienten erklärt (aber nicht rechtfertigt). Zudem schien es so, als wolle man mich schnell „loswerden“, um das Bett neu belegen zu können, was in meinem Fall lebensgefährliche Folgen hatte.

Weitere Infos:

Keine Angaben
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Infos zum Fall:

Perspektive:

Patientin oder Patient

Alter:

30-49 Jahre

Art der EInrichtung:

Rehaeinrichtung, stationär, Ambulante Praxis, Rettungsdienst/Krankentransport, Arztpraxis, Krankenhaus, innerklinischer Transport, Intensivstation, Normalstation, Notaufnahme, Operationssaal

Geschlecht:

männlich

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