Fallbeschreibung:
Ein Tag nach einem Sturz ruft die 76-jährige Patientin den Notarzt. Sie wird direkt in die Notaufnahme in ein Krankenhaus gebracht. Dort berichtet sie von stärker werdendem Schwindel seit einem Stoß am Kopf vor 6 Wochen und dem Sturz am Vortag. Nach ca. 3 Stunden in der Notaufnahme wird sie mit Diagnose „Rippenprellung“ entlassen.
Krankentransport führt den Rücktransport durch, wollen die Patientin aber nicht allein zuhause lassen, da sie eine allgemeine Verlangsamung, Schwindelanfälle und Koordinationsschwierigkeiten feststellen. Erstmals werden die Angehörigen informiert! Die Patientin wird wieder zurück in die Notaufnahme gebracht. Nach weiteren 2 Stunden in der Notaufnahme trifft der Sohn ein und wird trotz Vorsorgevollmacht und Ausweisung als Sohn nicht zur Mutter gelassen.
Kurz darauf wird die Patientin in der chirurgischen Abteilung wegen der Rippenprellung stationär aufgenommen. Der Sohn möchte mit einem Arzt sprechen. Ihm wird das Gespräch vom Empfang der Notaufnahme verweigert. Daraufhin beschließt eine Pflegekraft, die Patientin zu untersuchen und diagnostiziert mit ernster Miene: „Schilddrüse“. Der Sohn besteht weiterhin auf das Gespräch mit einem Arzt. Auf dem Flur fängt er den diensthabenden Arzt ab und drängt ihn, die Mutter zu sehen.
Die Untersuchung endet mit der Feststellung einer Dehydrierung. Der Sohn besteht darauf, dass dies nicht die Ursache sein könne, die Mutter habe noch vor wenigen Wochen das deutsche Sportabzeichen abgelegt. Der Arzt lässt sich nicht beirren und bleibt bei seiner Diagnose. Kurze Zeit später erbricht die Patientin. Der Sohn fragt nach einer Infusion, welche vom Pflegepersonal zunächst abgelehnt wird („das kann nur ein Arzt entscheiden“).
Auf die vehemente Forderung, dann eben einen Arzt hinzuzuziehen wird schließlich doch eine Infusion gegeben (Die Zugänge lagen schon von der Notaufnahme). Am nächsten Morgen erhält der Sohn einen Anruf, dass sich der Zustand weiter verschlechtert hätte und eine CT-Untersuchung ein beidseitiges Subduralhämatom ergeben hätte. Daraufhin wird die Verlegung in ein Hospital mit Neurochirurgieabteilung veranlasst. Die Patientin ist bereits nicht mehr in der Lage zu gehen, sitzen und hat deutliche Wortfindungsstörungen.
Gut gelaufen:
Der Krankentransport hat vorbildlich reagiert. Die Aussage „wir können sie nicht zuhause lassen, wir bringen sie zurück in die Notaufnahme, obwohl wir dafür wahrscheinlich Ärger bekommen“ zeigt, dass sie das Wohl der Patientin vorn anstellten.
Schlecht gelaufen:
Der Sohn wurde zu keiner Zeit proaktiv angehört. Er hätte direkt wertvolle Informationen zur Anamnese geben können. Die Pflegerinnen spielten sich zu Ärzten auf, was in der eigenmächtigen Diagnose gipfelte. Kontakt zu den Ärzten wurde aktiv verhindert. In der Notaufnahme wurde ausschließlich die Rippe begutachtet, obwohl das Krankenhaus eine Stroke-Unit besitzt und aufgrund der Symptome zumindest hellhörig hätte werden müssen. Es bestand ein auffälliges Desinteresse, der Patientin zu helfen – im Gegenteil waren private Gespräche der Pflegerinnen im Flur von größerer Bedeutung. Die Ärzte waren augenscheinlich an ihrer Belastungsgrenze und wollten (vielleicht unterbewusst) keine weiteren Komplikationen sehen
Verbesserungsvorschläge:
Besser zuhören.
Weniger „von oben herab“ agieren.
Kompetenzen einhalten.
Weitere Infos:
Beim anschließenden Aufenthalt war die gesamte Kultur wesentlich besser. Es wurde zugehört und das Gesagte in die Entscheidungsfindung mit einbezogen. So wurde die notwendige OP entgegen der ursprünglichen Planung weiter nach vorn verlegt, um die bereits eingetretenen Schäden nicht noch zu erhöhen.
Die Pflegerinnen waren aufmerksam, freundlich und zu keiner Zeit anmaßend.
Infos zum Fall:
Perspektive:
Angehörige oder Angehöriger einer Patientin oder eines Patienten
Alter:
70-79 Jahre
Art der EInrichtung:
Normalstation, Notaufnahme, Krankenhaus, Rettungsdienst/Krankentransport
Geschlecht:
weiblich