Fallbeschreibung:
Rund 30 Jahre hat es gedauert, bis die richtige Diagnose gestellt werden konnte. Auf dem Weg dahin, kam es zu Fehldiagnosen, Unterstellungen und Verzweiflung am medizinischen Versorgungssystem. Zum Glück endete diese Odyssee nicht tödlich.
Gut gelaufen:
Assistenz-Ärztinnen und Assistenz-Ärzte haben die Symptome nicht einfach abgetan. Hier wurde im Erstgespräch respektvoll zugehört und die Ausführung zu Beschwerden nicht nach einem Satz unterbrochen. Das Gespräch wurde geführt und detailliert, kurz und bündig hinterfragt. Sämtliche Beschreibungen zu den Symptomen wurden ernst genommen, eingeordnet und zu weiterführenden Untersuchungen angeregt. Vermutungen wurden vorurteilsfrei aufgenommen und je nach Faktenlage durch Untersuchungsergebnisse bestätigt oder entkräftet. Nicht nur „Standard“-Krankheiten wurden in der Diagnostik abgeklopft, sondern auch mögliche seltene Erkrankungen einbezogen und dazu recherchiert.
Therapeutinnen und Therapeuten, die ihre Behandlungen ganz individuell umsetzen, haben ihr Fachwissen eingebracht und damit zur Diagnosefindung beigetragen. Ausführliche Befragung zu Beschwerden und Lebensumständen führten zu verbesserten therapeutischen Maßnahmen. Arztpraxen, die Hand in Hand mit den Ergebnissen aus therapeutischen Einrichtungen arbeiten, erzielten insgesamt bessere Behandlungserfolge.
Einige Ärzte und Ärztinnen haben es ehrlich zugegeben, wenn sie mit ihrem Latein am Ende waren. Sie blieben offen für Vorschläge und haben Vermutungen aufgegriffen, um weitere fachärztliche Meinungen einzuholen. Bei Ergebnissen, die auf eine seltene Erkrankung hindeuteten, nahmen sie mitgebrachte Recherchematerialien zum entsprechenden Krankheitsbild an, um sich ein Bild zu verschaffen.
Heilpraktiker und Heilpraktikerinnen beteiligten sich an der Suche nach möglichen Erkrankungen. Sie lieferten Hinweise, welche Ursachen zu bestimmten Symptomen führen könnten. Laborergebnisse bestätigten mehrere Annahmen, die den Weg zur richtigen Diagnosestellung ebneten.
Schlecht gelaufen:
Ein großer Teil der behandelnden Ärzte und Ärztinnen hat über Jahrzehnte die Wahrnehmung von Symptomen abgetan und heruntergespielt. Es wurde eingeredet, dass alles ganz normal wäre und keine Erkrankung vorliegen würde. Wenn erste Untersuchungs- und Laborergebnisse nicht auffällig waren, hieß es, das sei etwas Psychosomatisches. Mögliche andere organische Erkrankungen wurden nicht beachtet und auch nicht ausgeschlossen.
Mehrere Ärzte und Ärztinnen machten sich im Gespräch lustig und äußerten sich abfällig. Es wurden Diagnosen gestellt, aber nicht besprochen. So kam es zu vielen Verlegenheitsdiagnosen, von denen keine zutraf. Medikamente wurden verordnet, die mehr schwere Nebenwirkungen verursachten, als dass sie Linderung verschafften. Geäußerte Einwände, Zweifel und abgelehnte Behandlungsempfehlungen wurden ignoriert. Weitere Diagnostik wurde immer wieder verweigert.
Verbesserungsvorschläge:
Das Arzt-Patienten-Gespräch ist verbesserungswürdig. Patienten und Patientinnen sollten nicht nach nur fünf Sekunden unterbrochen werden, wenn sie schildern, warum sie eine medizinische Einrichtung aufsuchen. Das Gespräch sollte respektvoll und zugewandt stattfinden. Eine gute Gesprächsführung beugt Missverständnissen vor, verhindert Fehleinschätzungen und spart Zeit.
Die körpereigne Wahrnehmung von Patienten und Patientinnen sollte nicht in Frage gestellt werden.
Auch die Aufklärung über Diagnosen sollte transparent und leicht verständlich erfolgen.
Weitere Infos:
Die körpereigne Wahrnehmung von Patienten und Patientinnen nicht ernst zu nehmen, wird als „Medical Gaslighting“ bezeichnet. Ob mit oder ohne Absicht, es richtet enorme Schäden an.
Der irreführende Merksatz in der Medizinausbildung lautet: „Wenn Du Hufgetrappel hörst, dann denke an Pferde und nicht an Zebras.“ Was da heißt, häufige Erkrankungen (Pferde) wären wahrscheinlicher als seltene Erkrankungen (Zebras). Nur ist ein Zebra aber kein Pferd.
Schätzungsweise rund vier Millionen Menschen leiden in Deutschland an einer von derzeit ca. 9000 bekannten seltenen Erkrankungen.
Wissen behandelnde Ärzte und Arztinnen bei unklaren Fällen nicht weiter, können sich Patienten und Patientinnen deutschlandweit an die Kompetenz-Zentren für Seltene Erkrankungen wenden.
Infos zum Fall:
Perspektive:
Angehörige oder Angehöriger einer Patientin oder eines Patienten
Alter:
15-29 Jahre
Art der EInrichtung:
Heilpraktiker:innen/Homöopath:innen, Arztpraxis, Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), Ambulante Praxis, Therapeutische Einrichtung (Physio-, Ergo-, Logotherapie, Hebammenhilfe etc.), Zahnarztpraxis, Rettungsdienst/Krankentransport, Krankenhaus, Normalstation, Notaufnahme
Geschlecht:
keine Angabe