Fallbeschreibung:
Ich wurde in einem Krebs-Kompetenzzentrum behandelt. Von Anfang an war Information nicht verfügbar oder sogar falsch. Einige Beispiele:
Als ich meine Krebs-Diagnose bekommen habe, wurden während des gesamten Gesprächs mir nicht bekannte Fachbegriffe verwendet. Obwohl ich einen Uni-Abschluss habe, hatte ich nur verstanden, dass etwas nicht in Ordnung ist. Als das Gespräch beendet war sagte mir die Ärztin, dass ich das ja zu Hause mal googeln könne. Ich fragte sie, wonach ich eigentlich suchen soll. Da fiel das erste Mal das Wort „Krebs“.
Das Aufklärungsgespräch vor meiner OP fand am Nachmittag vor der OP statt, nachdem ich seit 7 Uhr in meinem Zimmer auf die Ärztin gewartet hatte. Als sie dann kam, sagte sie mir dass ich eigentlich schon bei der Narkose-Aufklärung sein sollte und wollte es kurz machen. Ich hatte bereits keine Energie mehr, nur mein Mann bestand darauf, dass das Gespräch ausführlich stattfand. Dass mein Mann überhaupt dabei sein durfte, war eine Art Entgegenkommen der Klinik und wurde nur deshalb gestattet, weil in meinem Zimmer keine weitere Patientin war. Später las ich (im Internet), dass überall empfohlen wird, so wichtige Gespräche nie alleine zu führen sondern sich von einer vertrauten Person begleiten zu lassen.
In der Narkoseaufklärung erfuhr ich dass eine PDA empfohlen wurde. Auch dieses Wort hörte ich zum ersten Mal in meinem Leben. Aufgrund der Risiken hatte ich große Bedenken. Immerhin wurde mir dahingehend entgegengekommen, dass ich die Entscheidung nicht sofort treffen musste. Zurück auf der Station hatte ich so die Gelegenheit zu googeln.
Beim Aufklärungsgespräch vor meiner Chemotherapie sagte man mir, dass ich während der gesamten Behandlung nur gekochtes oder geschältes Obst und Gemüse essen dürfe, kein Salat etc. Ich solle essen „wie in einem Entwicklungsland“. Ich war am Ende, googelte zu Hause mal wieder und habe diese Aussagen nirgendwo bestätigt gefunden. Mich dann auch nicht daran gehalten.
Mir wurde gesagt dass ich durch die Chemo meine Haare verlieren würde und bekam ein Rezept für eine Perücke in die Hand gedrückt. Nachdem nach der Hälfte der Zeit die Haare noch da waren, googelte ich mal wieder und habe recherchiert, dass bei dem bei mir verwendeten Medikament Haarausfall nur in sehr seltenen Fällen zu erwarten war. Netterweise bestand meine Friseurin nicht auf der Abnahme der bereits hinterlegten Perücke.
Nach den Anwendungen litt ich regelmäßig unter extremer Übelkeit und Erbrechen. Einmal musste ich Infusionen erhalten und es wurde in Erwägung gezogen, nicht stationär aufzunehmen. Ich sprach die zuständige Ärztin mehrfach darauf an. Ich habe jedes Mal die Aussage bekommen, dass es sein könne, dass ich mich mit der Zeit daran gewöhne. Als ich mal wieder googelte, las ich überall, dass Übelkeit kein unabwendbares Schicksal sei. Ich sprach meine Frauenärztin darauf an und bekam von ihr nach Konsultation der entsprechenden Behandlungsleitlinien ein Medikament verschrieben, das die Übelkeit stark verringerte und Erbrechen komplett verhinderte.
Es ist tatsächlich so, alles was ich über meine Krankheit weiß, habe ich aus dem Internet erfahren – obwohl ich mir für meine Behandlung eine nach dem Klinikführer meiner Krankenkasse als besonders qualifiziert ausgewiesene Klinik ausgesucht hatte.
Gut gelaufen:
Nichts
Schlecht gelaufen:
Siehe oben. Und das war buchstäblich nur ein Bruchteil der Dinge die einfach völlig schief gelaufen sind.
Verbesserungsvorschläge:
Kommunikation verbessern. Ich hatte den Eindruck, dass es keine einheitlichen Standards für Informationen gab. Jeder sagte das was er eben für richtig hielt. Das war aber eine persönliche Auskunft, nicht die Auskunft der Klinik. Von daher war es völlig willkürlich welche Information man erhielt – dies hing immer davon ab wen man eben fragte. Die Auskünfte waren richtig oder falsch – nur dass man nie wusste, woran man ist.
Weitere Infos:
Für eine komplexe langwierige Behandlung sollte es einen Case-Manager geben. Der müsste als übergeordnete Instanz einen Überblick über die Behandlung haben und wissen, wo man gerade steht. Man wurde durch die Stationen gereicht wie auf einem Fließband. Ich habe mich immer gefragt, ob es jemanden gibt, der meine Behandlung koordiniert.
Infos zum Fall:
Perspektive:
Patientin oder Patient
Alter:
50-69 Jahre
Art der EInrichtung:
Krankenhaus, sonstiger Bereich
Geschlecht:
weiblich