Fallbeschreibung:
Die Geburt meines Kindes sollte per Kristeller-Handgriff herbeigeführt werden, nachdem Versuche von Positionswechseln und Nachhilfe mit Wehenmittel noch nicht dazu geführt hatten, dass der Kopf des Kindes weit genug hinabgerutscht war, dass andere Maßnahmen, z.B. Saugglocke hätten angewendet werden können. Die Hebamme nannte dieses, mit immer häufigerem Blick zur Uhr, den „ letzten Versuch“. Seit etwa 2 Stunden unter starken und quälenden Wehen in 1-minütigem Abstand war es mir unmöglich, darüber nachzudenken, was es heißt, dass eine Ärztin „von außen mitschieben solle“, so hat sie es formuliert. Ich willigte ein, ohne zu wissen, was das bedeutet.
Die Ärztin drapierte ein Bettlaken an dem Bettgestell unter mir und die Hebamme sagte, ich solle Bescheid geben, wenn die nächste Wehe kommt.
Die Wehen waren schon ein paar Mal „ins Stolpern gekommen“, d.h. es fing eine Wehe an, flachte aber sofort wieder ab, um mich kurz darauf doch noch zu überrollen.
So war es auch dieses Mal, ich sagte „die Wehe kommt jetzt“ und holte tief Luft, die Ärztin machte sich bereit, indem sie das Bettlaken um ihr Handgelenk wickelte. Dann zögerte ich und war im Begriff „nein doch nicht“ zu sagen und wieder auszuatmen und erneut tief einzuatmen, da stampfte mir die Ärztin mit ihrem kräftiger Unterarm, das Bettlaken als Verstärker der Hebelwirkung, ruckartig in den Bauch, direkt unterhalb der Rippen und so tief, dass es sich anfühlte, als würde sie eines meiner Organe auf meiner Wirbelsäule zerdrücken. Ich hatte nicht mehr tief einatmen können, da es so unvermittelt kam und sofort als ihr Arm eines meiner Organe berührte, ein unbeschreiblicher Schmerz ausgelöst wurde. Es war, als hätte sie mir einen Zaunpfahl hineingerammt. Ein Schmerz an genau dieser Stelle, heiß und pochend und alles an sich zerrend und es hörte nicht auf. Ich konnte vor Schmerz etwa 1-2 Minuten gar nicht atmen.
Die Ärztin sagte daraufhin nur „ich habe doch noch gar nicht richtig gemacht“ und die Hebamme forderte mich auf, wieder zu atmen, da das Kind doch Sauerstoff brauche. Ich zeigte in Panik auf die schmerzende Stelle und kam wieder ganz flach zu Atem. Der Schmerz machte die Atembewegug so gut wie unmöglich, da die kleinste Bewegung des Brustkorbs die schmerzende Stelle zu sprengen drohte. Ich zeigte auf die Stelle, die sich mir heiß und breit nach oben entgegenwölbte.
Die Hebamme fragte, ob es „da unten“ weh tue, sie meinte meine Narbe einer zwei Jahre zurückliegenden Sectio. Ich sagte „nein hier“ und zeigte auf die Stelle am Oberbauch, die ich mit beiden Händen fest umklammerte und nicht mehr losließ.
Sie wirkte erleichtert und sagte, es sei nun „wohl ein Kaiserschnitt nötig“. Ich willigte ein und hoffte, dass nun sofort ein Notfallteam hereinstürmt und das Kind innerhalb weniger Minuten rausgeholt würde.
Die Hebamme teilte mir mit, dass sie mir nun etwas gegen die Wehen gebe, worauf ich antwortete „das sind keine Wehen“.
Mein Mann, der hinter mir stand, brachte die verzweifelte Frage heraus: „was IST denn das?“, sah die Hebamme fragend an, aber es kümmerte niemanden weiter, dass wir inzwischen völlig unter Schock in Angst versunken waren.
Ich war nicht in der Lage, weitere Fragen zu stellen, da mich der Schmerz sehr vereinnahmte und ich der Ansicht war, dass die Notlage offensichtlich war.
Während die Ärztin hinaus ging, starrte die Hebamme immer wieder gebannt auf das CTG, ging auch irgendwann raus und jemand rasierte mich.
Mich überkam das Gefühl, dass alles viel zu langsam vonstatten ging, aber es ging mir so elendig, dass ich nur händeringend darauf wartete, dass es in den OP weiterging.
Ich übergab mich insgesamt 3 mal, das letzte Mal mit dunklem Blut, als wir schon im OP waren. Mein Mann zeigte besorgt auf das Blut, doch dem wurde keine Beachtung geschenkt.
Im OP wurde ich aufgefordert, selbst auf die Liege rüberzukrabbeln. Ich zeigte verzweifelt auf meinen Bauch, der Schmerz machte die kleinste Bewegung unmöglich. Aber da ich nichts aufhalten wollte, robbte ich irgendwie auf allen Vieren herüber. Es war ein Gefühl, als würde alles auseinanderfallen.
Die weiteren Vorbereitungen zogen sich gefühlt ewig in die Länge. Die bereits vorhandene PDA wurde offenbar erneuert, da ich mich nochmals aufrecht hinsetzen, vorbeugen und stillhalten sollte.
Die Liegeposition im OP war eine Qual, da die Liege zu den Beinen abwärts geneigt war. Ich versuchte irgendwie auszuhalten, dass die Schwerkraft meinen Bauch abwärts zu ziehen schien. An der schmerzenden Stelle zog es, als würde etwas abfallen.
Ich hatte kein Gefühl, wann die OP begann, da die PDA nicht nur den Schmerz, sondern auch jegliches Gefühl von den Rippen abwärts betäubte.
Als mein Mann herausgeschickt wurde, fragte ich den Anästhesisten, ob ich nun eine Vollnarkose bekomme. Da ich davon ausging, dass in meinem Bauch einiges zu reparieren wäre. „Endlich sehen alle, was los ist“ habe ich dabei gedacht.
Mein Kind wurde leblos in meinem Bauch vorgefunden. 10 Minuten vorher, als mein Bauch desinfiziert wurde, hatte man das CTG abgenommen und keine weiteren Maßnahmen zur Überwachung des Kindes vorgenommen.
Das Kind wurde wiederbelebt, hatte aber einen so niedrigen PH-Wert, dass das erste, was uns mitgeteilt wurde, war: „wir haben keine Hoffnung“.
Die Kinderärzte leisteten großartige Arbeit, doch die Suche nach einem letzten Funken Leben war vergeblich.
Ich hatte das Desaster körperlich gut überstanden, beharrte aber auf eine Untersuchung meiner Organe, da mir niemand den Schmerz erklären konnte.
Auch die Todesursache meines Kindes konnte nicht festgestellt werden.
Es wurde eine teilweise Plazentalösung (1/3 hatte sich gelöst) festgestellt, dies sei aber „nicht unbedingt tödlich“.
Gut gelaufen:
Keine Angaben
Schlecht gelaufen:
Das unmittelbare Zusammenspiel der Gewalteinwirkung auf meinen Bauch, der daraus resultierende anhaltende Schmerz und der zeitliche Zusammenhang „innerhalb 30 Minuten war das Kind tot“ lassen für mich nur den Schluss zu, dass hier fahrlässig darauf gehofft wurde, dass schon alles gut gehen sollte.
Verbesserungsvorschläge:
Die Hebamme war als einzige im Dienst und die Ärztin wirkte überfordert und teilnahmslos.
Der plötzlich auftretende Schmerz wurde nicht abgeklärt.
Meine Erwartung war, dass wenigstens die Oberärztin mich in Augenschein hätte nehmen sollen.
Alle Vorbereitungen, bis es im OP losging, wurden durch die Hebamme veranlasst. Ich hatte das Gefühl, dass sie routinemäßig alles Nötige abarbeitete, aber keine Maßnahmen ergriffen hat, die über das Nötige hinaus gingen.
Z.B. hätte der Kaiserschnitt in Anbetracht der ungeklärten Situation zügiger erfolgen müssen , und man hätte das Kind bis zuletzt überwachen können. Bei meinem ersten Kind wurde eine Sonde am Kopf des Kindes platziert, die auch während der OP nicht entfernt werden musste.
Weitere Infos:
„Zur falschen Zeit am falschen Ort“ klingt für mich zu einfach, denn ich denke in einer anderen Klinik mit anderen Routinen, oder wenn die personelle Besetzung nicht so dünn gewesen wäre, wäre das so nicht passiert.
Infos zum Fall:
Perspektive:
Angehörige oder Angehöriger einer Patientin oder eines Patienten
Alter:
Neugeborene (bis 27 Tage alt)
Art der EInrichtung:
Krankenhaus, Geburt, Krankenhaus, Kreißsaal
Geschlecht:
weiblich