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2024-940

Thromboserisiko nicht erkannt

Fallbeschreibung:

Der Betreffende wurde mit Ende 50 Jahren mit einer Seltenen Rheumatischen Erkrankung diagnostiziert, einer Granulomatose mit PolyAngiitis. 10 Jahre zuvor hatte er, für ihn selbst, die Angehörigen und seinen Hausarzt urplötzlich einen Magendurchbruch erlitten, der, aufgrund vieler vorangegangener Reisen in Länder, in denen das Helicobacter Pelorii- Bakterium sehr grassiert, auf eine Infektion mit diesem Bakterium geschoben wurde. Nachgewiesen werden konnte das nicht, da im Zuge der Magen-OP direkt Antibiotika gegeben werden mussten. Spätere Magenuntersuchungen führten nie zum Nachweis von Helicobacter Pelorii. Ab dem zweiten Tag nach der Magen-Op klagte der Patient über riesige Schmerzen beim Stuhlgang. Schließlich wurde ein Drainageschlauch als Ursache ermittelt. Er hatte sich aus seiner Position gelöst und auf, wie man vermutete, dem Darm gelegen. Der Patient wurde entlassen mit dem Hinweis an den Hausarzt/ die Hausärztin, bestimmte Entzündungswerte seien zu hoch. Das schob letzterer auf die vermeintliche Helicobacter Pelorii – Infektion. Aufgrund einer akuten Sinusitis, die nicht auf Antibiotika reagierte, wurde der Patient dann, 10 Jahre später an der Nase operiert. Der ursprüngliche Verdacht auf Nasenkrebs bestätigte sich nicht, im Labor der operierenden Klinik wurde Granulomatose mit PolyAngiitis festgestellt. Die Therapie bestand dann aus wöchentlichen Methotrexatspritzen und Cortison, über 3 Jahre lang. Als ein alter Zahn, bei dem vor Jahren die Zahnwurzel behandelt worden war, auf Ratschlag eines anderen Vaskulitis-Patienten gezogen wurde, sanken die Anca-Werte und alle Entzündungswerte innerhalb von 3 Monaten auf ein unbedenkliches Niveau ab. Der Patient war in Remission. Dann begann der Patient über Husten zu klagen. Die Lunge wurde geröntgt, zunächst wurde durch den Radiologen nichts entdeckt. Auf derselben Aufnahme wurde dann von einem Pneumologen jedoch 3 Monate später eine alte Lungenembolie und eine Lungenfibrose entdeckt. Methotrexat wurde sofort abgesetzt. Eine weitere Untersuchung in einer Lungenklinik 6 Monate später ergab, dass sich die Lungenfibrose zurückgebildet hatte. Eine Blutuntersuchung zeigte, dass der D-Dimer zu hoch war. Man war sich unsicher, ob das eine Folge der GPA (eine Vaskulitisform) war. Noch einmal war der D-Dimer-Wert ein paar Monate später sehr hoch, aber sofortige Ultraschall-Untersuchungen der Beinvenen ergaben nichts. Auch mit dem Herz war alles in Ordnung. Dann verschlechterten sich die Nierenwerte. Aber die für ein Aufflammen der Vaskulitis sprechenden Entzündungswerte blieben niedrig, der Anca-Wert absolut unbedenklich. Wiederum einige Monate später fiel dem behandelnden Rheumatologen bei einer Routineuntersuchung auf, dass der Patient zunehmend Besenreiser an den Unterschenkeln entwickelte. Er äußerte die Sorge, dass sich daraus ein offenes Bein entwickeln könne. Es wäre besser, mit den Gefäßspezialisten der Uniklinik zu beraten, ob die entsprechende Beinvene verödet werden sollte. Der Patient beriet sich daraufhin mit mehreren Gefäßspezialisten und entschied sich dann für eine Verödung mittels Radiowellen, um das Entzündungsrisiko möglichst gering zu halten. Dies an der Uniklinik, um als GPA-Patient auch die bestmögliche, hygienische Behandlung zu erhalten. Die OP wurde ambulant durchgeführt, der Patient mit Antithrombosespritzen lt Richtlinien nach Hause entlassen. Trotz Anwendung dieser Spritzen ging es ihm innerhalb von 3 Tagen sehr schlecht. Er entwickelte am inneren Oberschenkel des operierten Beins eine dicke rote Beule, hatte Fieber, sein Blutdruck sank. Die herbeigerufene Notärztin überwies ihn sofort ins nächstgelegene Krankenhaus. Dort untersuchte der diensthabende Arzt ihn eingehend, dokumentierte alle Befunde akribisch. Handelte es sich um einen Vaskulitis-Rückfall oder um eine Sepsis? Untersuchungen im Labor nach Bakterien, die die Sepsis hätten auslösen konnten, ergaben kein schlüssiges Ergebnis. Nach 2 Tagen war nicht sicher, dass der Patient die Nacht überleben würde. Am darauffolgenden Morgen entschied der Chefarzt/ die Chefärztin sich für eine Verlegung in die Uniklinik. Dort kam der Patient sofort auf die Intensivstation und wurde mit Reserveantibiotika behandelt. Er überlebte, mit, wie spätere Bildgebung ergab, mehrfachen Thrombosen in der gesamten Leistengegend. Zudem wurde eine – vermutlich ältere – Thrombose in der Vena Cava entdeckt.

Gut gelaufen:

Positiv: 1. Die sorgfältige Untersuchung und Dokumentation des aufnehmenden Arztes in der örtlichen Krankenhausambulanz. 2. Entscheidung des Chefarztes/ der Chefärztin des örtlichen Krankenhauses, den Patienten in die Uniklinik zu überweisen. Das war lebensrettend. 3. Die sofortige Bereitschaft der Uniklinik, den Patientin auf der Intensivstation zu behandeln.

Schlecht gelaufen:

1. Das Absetzen von Methotrexat hätte kombiniert werden müssen mit dem Geben einer AntiKoagulation. 2. Es wurde nach Thrombosen gesucht, sogar intensiv, aber nie in der Bauchgegend und – weil viele Ultraschallgeräte das nicht leisten können – nie die Vena Cava kontrolliert. 3. Eine Venenverödung hätte angesichts des Vorbefunds einer Lungenembolie nie stattfinden dürfen!

Verbesserungsvorschläge:

1. Mehr und besser koordinierte Forschung nach den Ursachen, Verlauf und Behandlung einer GPA. 2. Digital gestützter Erfahrungsaustausch zwischen Ärzten, die GPA-Patienten behandeln. 3. Ermittlung von Fehlern bei der Behandlung von GPA-Patienten und von Best – Practice. 4. Telemedizinische Kooperation zwischen Hausärzten, örtlichen Krankenhäusern und Unikliniken, die sich auf die Behandlung von (jeweils unterschiedlichen ) Seltenen Erkrankungen spezialisiert haben.

Weitere Infos:

Es heisst immer unter Ärzten: wir können das auch! . Ich habe über Jahre erlebt, dass Hausärzte überfordert, Fachärzte und selbst so ein örtliches Krankenhaus verunsichert sind, weil sie es eben nicht gut wissen, keine oder viel zu wenig Erfahrung in der Behandlung von Patienten mit Seltenen Erkrankungen haben. Und dann Fehler machen. Denn: Kaum ein Hausarzt, kaum ein Facharzt und auch nicht jede Uniklinik ist auf jede Seltene Krankheit spezialisiert. Und doch sollen die Unikliniken laut Aktionsplan für Seltene Krankheiten alle behandeln können. Das ist eine Illusion. Das kann keine Uniklinik leisten. Es müssen Schwerpunktzentren gebildet werden für die jeweils unterschiedlichen Seltenen Krankheiten, wo Erfahrungen und Research gebündelt werden. Diese Zentren sollten dann – wie während Corona – die Ärzte an den anderen Unikliniken, die Fachärzte und auch die Hausärzte ein Stück weit führen, beraten, mit ihnen beratschlagen. Das Klinikum hat das über viele Jahre versucht, aber der Zeitaufwand und das Personal dafür müssen auch bezahlt werden! Weil das nicht so war, ist das Klinikum dann auch damit gescheitert.
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Infos zum Fall:

Perspektive:

Angehörige oder Angehöriger einer Patientin oder eines Patienten

Alter:

50-69 Jahre

Art der EInrichtung:

Krankenhaus, sonstiger Bereich

Geschlecht:

männlich

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