Fallbeschreibung:
Am Wochenende mit Nackenschmerzen und starken in den rechten Arm ausstrahlenden Schmerzen den kassenärztlichen Notdienst aufgesucht. Der diensthabende Orthopäde diagnostizierte eine Wirbelblockade. Er renkte die HWS ein, indem er meinen Kopf ruckartig nach links riss. Meine Zähne knallten aufeinander, wäre meine Zunge dazwischen gewesen, hätte ich mir die Zungenspitze abgebissen. Besser? Nein. Wenn es Montag nicht besser sein sollte, gehen Sie nochmal zum Hausarzt.
Übers Wochenende wurde es richtig schlimm: Mein Nacken schwoll an und ich hatte sehr starke Schmerzen. Ich konnte nicht mehr sitzen, nicht mehr liegen, am besten war stehen. Hausärztin hat meinen geschwollenen Nacken als allergisches Ödem gedeutet. Therapie mit Lidocain-Spritzen in Triggerpunkte unter dem Schulterblatt sowie Ibuprofen 600 mg. Half aber nicht, Überweisung zum Orthopäden erhalten. Orthopäde hat MRT veranlasst.
Zwischenzeitlich Missempfindungen in der Rumpfmuskulatur und im Gesicht mit Ausbildung einer „Merkel-Falte“ re. Mundwinkel, mal mehr mal weniger ausgeprägt. Konnte den Bauch nicht mehr einziehen, Rücken schwabbelte beim Gehen. Missempfindungen auch in den Oberschenkeln, sowie blau-rote Färbung beider Oberschenkelinnenseiten.
Knapp 2 Wochen nach dem Einrenken MRT-Termin gehabt. Frage nach Unfallereignis im Anamnesebogen der Radiologie bejaht, chiropraktisches Einrenken angegeben. MRT-Bericht ergab „HWS in harmonischer Lordose“ mit ansonsten unauffälligem altersentsprechendem Befund, also BS-Protrusion, Unkarthrosen, Facettengelenksarthrosen. Lt. Orthopäden erklärt der Befund die Beschwerden nicht, an Neurologen überwiesen.
Neurologe: „Für mich ist das orthopädisch, dieser Befund ist alles andere als harmlos“. Zurück zum Orthopäden, nein, Neurologe zuständig. Dieser hat dann an Rheumatologie überwiesen wegen V.a. neuromuskuläre Erkrankung. Inzwischen waren 7 Wochen vergangen. Immer noch starke Schmerzen re. Arm. Ganz besonders schlimm war es, wenn ich morgens aus dem Bett aufstand. Sobald ich mich aufsetzte, einschießender Schmerz als würde mir jemand den Arm abreißen.
Rheumatologin weigerte sich, mich anzusehen. Wenn ich Ausschlag hätte, müsste ich zum Hautarzt. Außerdem sei ich in den Wechseljahren, ich müsse zum Frauenarzt. Überweisungen ausgestellt. Als ich daraufhin anfing zu weinen (wieder wochenlang auf Termine warten) hat sie mir in ihrem Bericht eine chron. rez. Depression und eine Angsterkrankung diagnostiziert.
Neuromuskuläre Erkrankung hat sie verneint. Auf Hautarzt und Frauenarzt verzichte ich an dieser Stelle. Alles altersentsprechend. Wieder zum Neurologen, hat Krankenhauseinweisung geschrieben. Myasthenes Beschwerdebild (mal erloschene Reflexe, mal Hyperreflexie, Kopf zu schwer für meinen Hals, Kraftlosigkeit in Armen und Beinen, Beschwerden steigern sich im Tagesverlauf).
Aufnehmender Arzt im Krankenhaus: Was ich denn machen würde, wenn man nichts findet? Ob ich mir schon mal Gedanken gemacht hätte, dass das psychisch sein kann (Bericht Rheumatologin!) Habe angeboten, mich mit Psychologen zu unterhalten, wenn das veranlasst würde. Hat man aber nicht. Man hat mir jeden Tag Blut abgenommen, was genau untersucht wurde, weiß ich aber nicht.
Jedenfalls hat man vergessen, die Standard-Antikörper auf Myasthenia gravis zu bestimmen, hat nur nach Sonderformen gesucht. EMG wurde vergessen, evozierte Potenziale waren unauffällig, Lumbalpunktion frustran verlaufen, Thorax-CT ergab Thymushyperplasie aber ohne Anhalt für Thymom. Entlassung mit V.a. somatoforme Störung. Nach Beschwerde beim Chefarzt hat man den Bericht dann korrigiert und sich auf die Fakten beschränkt. Neurologe sollte die fehlenden Myasthenie-Blutwerte noch ambulant bestimmen. Hat er aber nicht aber nicht, das sei keine Myasthenie. Die Stationsärztin hat mich bei der Entlassung beiseite genommen und mir zugeraunt „Gehen Sie nochmal zum Orthopäden, für mich kommt das von C2“.
Orthopäde hat neues MRT veranlasst. Jetzt 3 BS-Vorfälle. Nach harmonischer Lordose sah meine HWS nun nicht mehr aus. Befund erklärt aber die Beschwerden nicht. Dann einige Monate weitgehend beschwerdefrei, keinen Arzt mehr aufgesucht. Dann wieder Beschwerden mit Schmerzen, Missempfindungen, Kraftlosigkeit. Orthopäde hat neues MRT veranlasst, jetzt BS-Vorfälle von C3 bis C7. Auf der Seitansicht sieht man von C4 bis C6 dunkle Verfärbung des Myelons, das ist im Bericht aber wiederum nicht erwähnt und der Orthopäde hat die Bilder nicht angesehen.
Wieder Überweisung zum Neurologen ausgestellt. Meinen Wunsch nach Funktionsaufnahmen, weil wechselnde Beschwerden mit Gefühl von Instabilität hat er abgelehnt. Einiges Morgens beim Duschen zitterten plötzlich beide Beine unkontrollierbar. Mein Mann war Zeuge. Neurologen aufgesucht, hat sich aber geweigert, sich das anzusehen, wir können einen Termin in 3 Wochen machen. Wenn mir das nicht passt, soll ich in die Notaufnahme fahren.
Habe ich gemacht, wurde aber abgewiesen. Bis ich dort war nach über 1 Stunde Fahrzeit, hatten sich meine Beine wieder beruhigt. Habe dann selbst finanziert ein Upright-MRT der Kopfgelenke machen lassen (wegen C2). Heraus kam: Dens Axis bewegt sich unphysiologisch, ist instabil. Ob ich einen Unfall gehabt hätte? Auf MRT hingewiesen. Hat Sagitalansicht angesehen und auf das überdehnte Atlasband hingewiesen. Neubefundung darf er aber aus beurfsrechtlichen Gründen nicht machen. Die Diagnose stellt der behandelnde Arzt (oder wie bei mir eben nicht). Hat mir einen Manualtherapeuten empfohlen, der Spezialist für die HWS sei. Leider Monate Wartezeit auf einen Termin. Diesen aufgesucht: keine MRTs angesehen, nur manuell untersucht. „Wenn das, was ich von außen taste, sich nach innen fortsetzt, sind Sie auf dem Weg in eine Myelopathie. Die Ärzte sollen hingucken, oft reicht schon Funktionsröntgen, um zu sehen, wo das Myelon gequetscht wird. Wenn Sie Ihr Rentenalter noch auf 2 Beinen erreichen wollen, dann bleiben sie da dran.“
Habe es mit einem neuen Neurologen in einem MVZ versucht und ihm vom Myelopathie-Verdacht berichtet. Das Upright_MRT wollte er nicht haben, ist ja privat und nicht kassenärztlich. SEP und Neurografie Arme und Beine veranlasst zur Objektivierung der Beschwerden. Da ich aber eine Wundertüte bin mit zeitweiser Taubheit im Gesicht, pelziges Gefühl Unterschenkel, Kraftlosigkeit, Reflexverlust Achillessehne und Bizeps, Gangunsicherheit, war am Untersuchungstag (3 Wochen später!) keine Auffälligkeit in den elektronischen Messungen feststellbar. Inzwischen sind Jahre vergangen, neues MRT veranlasst. Auch hier wieder die dunkle Verfärbung des Myelons von C3 bis C6, BS-Vorfälle von C3 bis C7, Spinalkanalstenose mit deutlicher Reduzierung des Raumes für das Myelon. Neurologe hat manuelle Therapie verordnet. Manualtherapeut (ein anderer) war entsetzt, als er sich das MRT angeguckt hat. Und C2 sehe ganz komisch aus (da ist es wieder), ob ich mal einen Unfall gehabt hätte. Ich schilderte das Einrenken und meine nachfolgenden Beschwerden. Er hat sich alle MRTs mit nach Hause genommen, um sie in Ruhe anzusehen und wollte mich an einem befreundeten Orthopäden weiter vermitteln. Dieser wollte mich jedoch nicht sehen. „Wenn die Ärzte einen erstmal auf der Psychoschiene haben, ist es ganz schwer, da wieder rauszukommen.“ Dieser befreundete Arzt hat mich noch nie gesehen, woher weiß der von einer Psychoschiene??
Habe 12 mal Physiotherapie gemacht, Mix aus KG und MT mit Dehnübungen für zuhause. Unter der Therapie kam es zu Taubheit 3 Finger linke Hand, HWS ist instabil. Manualtherapeut meinte, dass man mir mit Physiotherapie nicht mehr helfen könne. Ich solle mich mal bei einem Neurochirurgen vorstellen. Mein Neurologe hat mich auch überwiesen. Der Neurochirurg hat sich aber meine MRTs auch wieder nicht angesehen, nur einen Bericht gelesen und zwar nicht den aktuellen. Er wollte meine „Geschichte“ auch nicht hören, welche Beschwerden ich jetzt in diesem Moment hätte. Taubheit Stirn, linker Schneidezahn, linkes Schienbein geschildert. Er schimpfte dann auf den Neurologen, das hätte nichts mit der HWS zu tun, das sei der Facialisnerv. Und ich hätte zwar keine Neugeborenen-HWS mehr aber da gäbe es nichts, worüber ich mir Sorgen machen müsste. Damit hat er mich verabschiedet.
Fast 4 Jahre weder eine Diagnose noch eine adäquate Therapie! Ich brauche ein Gutachten. Offenbar zeigt ja das MRT vom Anfang eine Verletzung und damit einen Behandlungsfehler. Seither gibt meine HWS den Geist auf und alle Ärzte verschließen die Augen davor. Warum?
Habe einen Schlichtungsantrag bei der Ärztekammer gestellt und mich auf den einrenkenden Orthopäden, die Radiologin wegen Übersehen/Nichterwähnen der Überdehnung Atlasband und Verletzung C2(?) und die Rheumatologin mit ihrer Psychodiagnose beschränkt. Schlichtung kam nicht zustande, weil die Rheumatologin damit nicht einverstanden war. Übrigens hatten alle 3 Ärzte dieselbe Haftpflichtversicherung… Geklagt habe ich mangels Rechtschutzversicherung nicht.
Ich habe es dann aufgegeben, mit dieser Sache nochmal einen Arzt aufzusuchen. War gelegentlich mal krank geschrieben wegen HWS-Beschwerden (Schmerzen). Ansonsten habe ich alles ignoriert, einschließlich der Gangstörungen (Kraftverlust, kann nicht geradeaus laufen, vor allem nicht im Dunklen, Probleme beim Autofahren).
So schlimm das bisher war: Es geht so weiter! Seit Herbst läuft mir Liquor aus dem linken Nasenloch. Neurologe hat mir nicht geglaubt, an HNO überwiesen, der HNO hat mich an eine Uniklinik überwiesen. Durch Beta-Trace-Test wurde Liquorrhoe bestätigt, aber eben durch HNOAmbulanz. Leider will man dort von der HWS nichts wissen. Sie haben zwar die MRTs haben wollen, haben sie sich aber angeblich nicht angesehen, weil es nicht deren Fachbereich ist. CT Mittelgesicht und Schädelbasis wurde veranlasst (außerhalb der Uniklinik). Lt. Radiologe keine Frakturen im Gesicht, ansonsten „kein Fokus“. Dass ich keine Fraktur im Gesicht habe, war mir völlig klar. An der Schädelbasis und insbesondere C1 und C2 hätte vielleicht ein genauerer Blick etwas ergeben?
Und nun? Der Liquor läuft nicht permanent und auch nur in kleinen Mengen von einigen Tropfen. Manchmal auch 2 oder 3 Tage gar nicht. Die zur Verfügung stehende Diagnostik für die Lecksuche setzt aber einen kontinuierlichen Liquorfluss voraus. Vielleicht hört es ja von alleine wieder auf. Vielleicht wird es auch stärker und dann kann ich ja wiederkommen. Infektionsgefahr? Gefahr für Meningitis? Bisher ist ja nicht dazu gekommen und daher wäre das auch weiterhin nicht zu erwarten. Ich befinde mich aber seit einiger Zeit quasi im Lockdown, arbeite im Einzelbüro, keine Kundenkontakte. Das sei nicht nötig, ich müsse mich nicht einschränken.
Hätte man mich nicht klinikintern an die Neurochirurgie weiterleiten können/müssen? Können die keinen Neurochirurgen hinzuziehen?
Termin beim HNO und Neurologen ambulant steht noch aus.
Ich habe mich bei meinem Bericht auf das Wesentliche beschränkt. Mit allen Erlebnissen könnte ich vermutlich ein Buch füllen. Das Schlimme für mich ist, dass ich seit über 40 Jahren im Gesundheitswesen beschäftigt bin, die Hintergründe für ärztliches Verhalten genau kenne und mich trotzdem nicht dagegen wehren kann. Und ich behaupte, dass der Datenschutz mit Einführung von KV-Connect, KIM und TIM völlig obsolet ist. Die Ärzte tauschen sich untereinander über mich aus – und die HWS-Verletzung darf einfach nicht gefunden werden…
Gut gelaufen:
Schlecht gelaufen:
Ärzte übernehmen einfach Befunde/Diagnosen ihrer Kollegen. Es wird nicht hinterfragt oder selbst überprüft. Neben dem Zeitmangel sehe ich die Ärztliche Berufsordnung als großes Problem
Verbesserungsvorschläge:
Datenschutz. Alle haben immer Angst vor Zugriffe von außen. Ich bin sicher, da ist alles doppelt und dreifach gesichert. Das Problem liegt innerhalb des ÄrztekommunikationsSystems KIM und TIM. Eine unabhängige Zweitmeinung durch anderen Arzt? Ausgeschlossen. Und wenn das wie geplant, EU-weit ausgerollt werden soll, kann man nicht mal mehr im Ausland einen unabhängigen Arzt finden.
Weitere Infos:
Keine Angaben
Infos zum Fall:
Perspektive:
Patientin oder Patient
Alter:
50-69 Jahre
Art der EInrichtung:
Ambulante Praxis, Arztpraxis, Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), Therapeutische Einrichtung (Physio-, Ergo-, Logotherapie, Hebammenhilfe etc.), Krankenhaus, Normalstation
Geschlecht:
weiblich