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2025-185

Wegen Schmerzen verspottet (Komorbidität: Long Covid)

Fallbeschreibung:

Nach einer Covid-Infektion 2021 hatte ich durchgehend Kopfschmerzen, die zunächst vom Hausarzt als postviral eingeschätzt und mit Novalgin behandelt wurden. Als diese immer schlimmer wurden, Sehstörungen und extreme Lichtempfindlichkeit hinzukamen, wurde 2023 ein Neurologe hinzugezogen. Nachdem ohne Arztgespräch alle möglichen Untersuchungen gemacht wurden (EEG, Dopplerultraschall der Carotiden etc.) fand schließlich die Auswertung statt, ohne Befund. Leider war ich zu dem Zeitpunkt von anderer Seite (Spezialambulanz eines renommierten Krankenhauses) schon mit Long Covid diagnostiziert worden und hatte dies gutgläubig im Fragebogen angegeben. Nach einem ausführlichen Vortrag über die Verrückten, die diesen psychosomatischen Patienten glauben, und den wahren Gründen für Long Covid, die neben frauenverachtenden Aussagen auch die Worte „Krankheitsgewinn“ und „sich cool fühlen“ beinhalteten, wurde mir ein Antidepressivum angeboten, welches ich ablehnte, was den Beweis für meine psychosomatisch-kalkulierte Pathogenese erbrachte und, mit Ansage, im Arztbrief erwähnt wurde. Um den Termin abzuschließen, fasste mir der Arzt noch ohne Vorwarnung von hinten in den Nacken (ich saß auf dem Stuhl vorm Schreibtisch), um zu betonen, wie verspannt meine Muskulatur sei („wie Betong“ [sic]). Ich habe mich selten so sehr gedemütigt gefühlt. Durch die Long-Covid-Begleiterkrankung war ich danach mehrere Wochen massiv eingeschränkt und bettgebunden. Zwei Jahre später, war ich bei einem Neurologen, der die Leitlinien zu Long Covid und ME/CFS anerkennt. Dieser hat bei mir ME/CFS diagnostiziert und die Kopfschmerzen als Migräne kategorisiert, die ich seither durch Triptane sehr gut managen kann.

Gut gelaufen:

Mein Hausarzt hat meine Entscheidung, nicht nochmal zu diesem Neurologen zu gehen, respektiert; ich musste ihn nie wieder gesehen. Ich habe gelernt, niemals von Ärzten, denen man nicht vertraut, und die einem nicht glauben, Medikamente anzunehmen.

Schlecht gelaufen:

Neben den persönlichen Beleidigungen und der deutlichen Übergriffigkeit sehe ich es als sehr bedenklich, dass ein Arzt seine persönliche(!) Meinung über den wissenschaftlichen Kenntnisstand (evidenzbasierte Medizin) stellen darf UND über das Wohl seiner Patient:innen. In die Ausführungen des Arztes und seine Handlungen kann ich keinen Wunsch zu helfen oder Unwissenheit hineininterpretieren, die Meinungsbildung war abgeschlossen. Ich hatte vorher schon Stress bei Arztbesuchen, jetzt habe ich regelrechte Panik, wenn ich eine Praxis auch nur betrete. Motto: Lieber einmal zu wenig zum Arzt gehen, als einmal zu viel.

Verbesserungsvorschläge:

Es wäre sehr wünschenswert, dass Ärzt:innen ihre Patient:innen gleich behandeln würden, ohne Benachteiligungen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihres Alters, etc. Dringend notwendig sehe ich auch eine obligatorische (Online-)Weiterbildung zum Thema Long Covid, ME/CFS und Post Vac für alle niedergelassenen Ärzte, abrufbar z.B. bei der Charité, sowie Aufnahme dieser Erkrankungen in die Curricula der medizinischen Fakultäten

Weitere Infos:

Wenn ich nicht mehrfach abschätzig und demütigend in Arztzimmern behandelt worden wäre, wäre ich wahrscheinlich deutlich früher zu einem Neurologen zwecks Zweitmeinung gegangen. Wäre es der gewesen, bei dem ich war, wären vermutlich nicht nur 3 Jahre extreme Kopfschmerzen, Sehstörungen und Reizempfindlichkeit vermeidbar gewesen sondern ggf. auch durch entsprechende Behandlung die Ausbildung eines schweren ME/CFS, was Ressourcen im Gesundheitswesen sowie der Sozial- und Rentenversicherungen geschont und mir ein lebenswertes Leben ermöglicht hätte. Aus Sicht einer Long Covid Patientin finde ich es bemerkenswert, mit welcher Geschwindigkeit indikationslos Antidepressiva verschrieben werden (wie sollen denn physische Tabletten gegen „seelisch“ eingebildete Beschwerden helfen?! — Antidepressiva wirken zumeist auf Neurotransmitter im Gehirn, nicht auf „die Seele“), aber einfache Interventionen wie Antihistaminika (H1-Blocker wie Ketotifen, Desloratadin) oder Ivabradin (bei Tachykardie, POTS, u.a.) verschreibt einem kein Arzt, der nicht schwerpunktmäßig ME/CFS behandelt.
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Infos zum Fall:

Perspektive:

Patientin oder Patient

Alter:

30-49 Jahre

Art der EInrichtung:

Ambulante Praxis, Arztpraxis

Geschlecht:

weiblich

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