Im Sommer musste ich mich nach der Zufallsdiagnose Vorhof-Myxom einer OP am offenen Herzen unter Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine unterziehen. In der Folge erlitt ich einen Schlaganfall. Am geplanten OP-Tag wurde die Narkose eingeleitet, doch die OP konnte aufgrund eines Notfalls nicht durchgeführt werden. Im Vorfeld hatte ich deutlich kommuniziert, dass ich eine Blasenentleerungsstörung habe, durch die ich gezwungen bin, meine Blase bei jedem Toilettengang mittels Katheter selbst zu entleeren. Des Weiteren habe ich erklärt, dass ich einen Blasenschrittmacher trage, der mittels Neuro-Stimulation die Weiterleitung von Schmerzreizen an das Gehirn stört.
Stunden nach der Narkotisierung erwachte ich auf der Intensivstation. Ich war noch intubiert und hatte starke Schmerzen im Unterleib. Schnell realisierte ich, dass ich nicht katheterisiert war und sich so der Harn staute. Verzweifelt versuchte ich, durch Gesten und Zeigen auf meine Not aufmerksam zu machen. Das anwesende Personal wähnte mich jedoch im Delir und unternahm lange nichts.
Endlich realisierte nach einer ganzen Weile jemand, dass gar kein Urinbeutel am Bett hing. Der Tubus wurde entfernt und ein Katheter gelegt. Im nächsten Moment füllte sich dessen Beutel mit gut 1,5 l (!) Harn. Die Schwester sagte: „Als ich den Katheter legen wollte, kam etwas dazwischen.“ Jeder andere Patient wäre in seinem Bett geschwommen. Doch bei mir kam es zu einem gefährlichen Rückstau. Ich hatte noch die Worte der Anästhesistin im Ohr: Schlafen Sie ruhig ein. Wir passen gut auf Sie auf.
Als Nächstes wurde ich auf die Intermediate-Care-Station verlegt. Ich lag auf der Türseite eines Zweibettzimmers, in welchem lediglich ein Vorhang als Raumteiler fungierte. Zwischen Bett und den Vorhang passte gerade so der Toilettensitz. Der männliche Patient auf der anderen Seite des Vorhangs war schwer verwirrt und aggressiv. 24/7 schrie er herum. Er hielt mich für seine Frau und forderte mich wiederholt auf, ihm zu helfen. Immer wieder bedrohte er mich. Statt mich von den Strapazen der OP erholen zu können, war ich stattdessen tagelang dieser Bedrohung ausgesetzt. Ich hatte große Angst und zeigte stärkste Stresssymptome. Ich flehte Ärzte und Pflegepersonal an, aus dieser Situation befreit zu werden. Leider vergebens.
Ein Pfleger sagte: „Und wenn Sie der Kaiser von China wären…“
Außerdem fügte er hinzu, es könne ja nichts passieren, da der Patient verkabelt sei und der Alarm dafür sorge, dass das Personal herbeieile. Kaum hatte er dies ausgesprochen, da griff der Patient ihn körperlich an. Im nächsten Moment warf mein Mitpatient die volle Schnabeltasse mit frisch eingegossenem Kaffee schräg über das Fußende meines Bettes, sodass diese an der Wand zerschellte. Irgendwann kam endlich eine Physiotherapeutin, die meine eigene Verkabelung mobil machte und mit mir auf den Flur hinausging zum Üben. So konnte ich endlich ein wenig Abstand gewinnen und sah nach Tagen endlich wieder mehr als den Raum. Auf dem Flur entdeckte ich einen Pflegesessel und setzte durch, dass ich dort eine ganze Weile unbehelligt sitzen konnte. Es war eine Wohltat, als die Stresssymptome nachließen. Doch dann musste ich zurück ins Bett und alles ging von vorn los.
Auch die behandelnden Ärzte kamen meiner Bitte um Erholung nicht nach. Mein Mann war mit der Situation überfordert.
Ich hatte unmittelbar nach der OP obendrein einen Schlaganfall erlitten und hatte dringend Ruhe nötig. Ich bestand daher auf Rückverlegung in das einweisende Krankenhaus zur Nachsorge und konnte mich damit zum Glück durchsetzen. Meine Erkrankung wurde dort mit mehreren Infusionen behandelt.
Die Gespräche mit meinem Operateur verliefen sehr gut. Er nahm mir meine Ängste, ging ausführlich auf meine Fragen ein. Drückte mir das Ultraschallbild des Tumors aus und gab mir später auch konkrete Auskünfte zu meinem Schlaganfall. Ich wurde über jeden Behandlungsschritt ausführlich informiert.
Wie kann es sein, dass eine narkotisierte Patientin über Stunden nicht mit einem Katheter versorgt wird und dies niemandem auffällt?! Warum wurde der Mitpatient nicht ruhig gestellt oder etwas anderes unternommen, um die Situation für mich erträglicher zu machen? Erholung ist doch ein wichtiger Faktor für die Genesung.
In meinem Entlassbrief wurde die Aufwachsituation auf der Intensivstation stark verharmlost und die Stressbelastung in den darauffolgenden Tagen überhaupt nicht erwähnt.
Trotz meiner Kommunikation im Vorfeld (da die Schrittmacher für die OP sicherheitshalber abgeschaltet werden mussten, war ich gezwungen, deren Fernbedienung mit in den Vorbereitungsraum zu nehmen, und musste mich allein schon deshalb wieder und wieder erklären) kam noch Tage nach der OP wiederholt ein Arzt zu mir, um sich das System ausführlichst erklären zu lassen. Auch ihn hatte ich bereits im Vorfeld informiert.
Als ich dabei war, mich für den Transport der Verlegung anzuziehen, gingen ständig mehrere Handwerker ein und aus. Meine Intimsphäre blieb auch hier nicht gewahrt. Auch die Fahrer schickte man einfach durch und trieb mich zur Eile an.
Das erste Aufklärungsgespräch wurde von einem Arzt mit deutlich zu geringen Deutschkenntnissen begonnen. Er war lediglich in der Lage, den Aufklärungsbogen vorzulesen. Da es jedoch gar keinen passenden Bogen zur Entfernung eines Vorhof-Myxoms gibt, war dies wenig hilfreich. Ich war froh, dass er telefonisch weggerufen wurde und später mein Operateur ein ausführliches Aufklärungsgespräch mit mir führte. Auf meinen Wunsch hin, fand dies in seinem Büro an seinem PC statt.
Aktuell befinde ich mich in der Anschlussheilbehandlung und versuche, diese traumatischen Erlebnisse mit Hilfe einer Psychologin zu verarbeiten. Ich hoffe, dass die Erinnerung an diese Situationen, in denen ich mich hilflos ausgeliefert fühlte und meine Bedürfnisse mit Füßen getreten wurden, mich bald nicht mehr so aufwühlt und ich endlich zur Ruhe komme.
Perspektive: Patientin oder Patient
Art der Einrichtung:sonstiger Bereich, Krankenhaus, Intensivstation