Fallbeschreibung:
Mein Vater suchte aufgrund einer akuten inneren Blutung die Notaufnahme eines regionalen Krankenhauses auf, auf Anraten seines Hausarztes. Dort wurde die Problematik nicht erkannt, er wurde unzureichend behandelt und erst am Folgetag, nach erneutem Aufsuchen des Hausarztes, aufgenommen.
Erst zwei Tage später wurde die Blutung gestoppt, eine Bluttransfusion fand nicht statt. Mein Vater wurde mit kritischen Hämoglobinwerten nach Hause entlassen, wo er zusammenbrach. Daraufhin wurde er in eine andere Klinik eingeliefert, wo er eine Bluttransfusion erhielt.
In Folge dieser Ereignisse fiel mein bis dahin leicht dementer Vater in ein dementes Delir. Allerdings nahmen die Ärzte, trotz mehrfacher Intervention meinerseits, den Zustand als Folge der bereits bestehenden Demenz an. In der Klinik verschwand meine Vorsorgevollmacht, die Ärzte setzten eigenmächtig und ohne Selbst- oder Fremdgefährdung Neuroleptika an, ohne dies mit mir zu besprechen. Auch weitere Medikationsentscheidungen wurden ohne Rücksprache mit mir als gesetzlicher Vertreterin getroffen.
Auch in der Pflege geschahen massive Fehler: Einmal fand ich meinen Vater bei herbstlichen Temperaturen ohne Bettdecke und bei geöffnetem Fenster vor. Erst nach mehr als 30 Minuten und mehrfacher Nachfrage meinerseits wurde hier Abhilfe geschaffen. Mehrfach haben wir auch erlebt, dass meinem vollständig hilfebedürftigen Vater das Essen nur hingestellt und unangetastet wieder abgeräumt wurde, obwohl er nicht selbständig essen konnte. Mobilisierung fand nur lückenhaft statt, obwohl diese auf dem Behandlungsplan stand.
Wunde Stellen im Intimbereich sowie durch Wundliegen bestanden tagelang und wurden erst auf meinen Hinweis hin behandelt. Auch dass der Katheter schon länger verschlossen war, musste ich als medizinischer Laie selbst erkennen. Das Pflegepersonal war erst nach mehrfacher Aufforderung zur Intervention bereit, ein Arzt wurde trotz offenkundiger Infektionsgefahr nicht verständigt, wohl deshalb, weil mein Vater zu diesem Zeitpunkt als Übergangspflegefall geführt wurde.
Gleichzeitig wurde hier offenkundig, dass die Pflege fälschlicherweise davon ausgegangen war, mein Vater würde noch in die Visite mit einbezogen. Auch hier musste ich als Außenstehende ohne vertieften Einblick in die Abläufe selbst erkennen, dass Fehler in den Prozessen zu einer mangelhaften Versorgung meines Vaters führten. Mehrfach wurden mir als gesetzlicher Vertreterin dringende Arztgespräche verwehrt, in der Regel mit dem Hinweis auf Unterbesetzung.
In der Klinik zog sich mein Vater zusätzlich zu den bestehenden Erkrankungen eine Lungenentzündung zu. Auf der Überwachungsstation, auf die er zwischenzeitlich verlegt wurde, fiel eine mangelnde Überwachung auf. So wurde beispielsweise über einen Zeitraum von fast einer Stunde nicht bemerkt, dass mein Vater gar nicht mehr an den Monitor angeschlossen war. Zudem war die zuständige Pflegekraft zusätzlich in der Notaufnahme eingesetzt, sodass sie gar keine Möglichkeit hatte, ihre Rolle angemessen wahrzunehmen.
Als die Entlassung Anstand, war der Sozialdienst zunächst gar nicht erreichbar. Danach wurde uns geraten, selbst nach einem Platz im Pflegeheim zu suchen, da Angehörige dort in der Regel mehr Gehör fänden als der Sozialdienst. Letztlich habe ich das komplette Entlassmanagement selbst übernommen.
Gut gelaufen:
Einzelne Pflegekräfte haben trotz der von ihren KollegInnen beschriebenen Überlastung sowohl pflegerisch als auch in der Kommunikation mit uns als Angehörigen dafür gesorgt, dass wir meinen Vater und uns gut aufgehoben sahen.
Schlecht gelaufen:
Sowohl die Kommunikation als auch die Pflege als auch die medizinische Behandlung. Die positiven Aspekte erscheinen in der beschriebenen Situation als besondere Leistung einzelner Personen.
Verbesserungsvorschläge:
Strukturen, Management und Prozesse, mehr Personal, fachliche und pflegerische Kompetenz der Pflegepersonen, Kommunikationskompetenz sowohl des Pflege- als auch des ärztlichen Personals
Weitere Infos:
Selbst mir als erfahrener Sozialpädagogin mit viel Erfahrung in der Begleitung Krisenhafter Fälle fehlen die Worte für das, was ich in diesen Kliniken erlebt habe.
Infos zum Fall:
Perspektive:
Angehörige oder Angehöriger einer Patientin oder eines Patienten
Alter:
80+ Jahre
Art der EInrichtung:
Normalstation, Krankenhaus
Geschlecht:
männlich