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2024-1190

Als Spinner abgestempelt trotz potentiell tödlicher Krankheit

Fallbeschreibung:

Mit innerhalb weniger Wochen schnell fortschreitender Erschöpfung, Gleichgewichts- und Gangstörungen begab ich mich ab Frühling 2022 mehrfach in Rettungsstellen und einem niedergelassenen Neurologen. In die Rettungsstelle eines KH ging ich, da ich, ohne mich festzuhalten, nicht mehr laufen konnte. Entlassen wurde ich mit dem Befund: „Allgemeine Erschöpfung“. Einige Tage später rief ich den Kassenärztlichen Notdienst an, da ich unerträgliche Rückenschmerzen hatte. Mir wurde, sehr unfreundlich, mitgeteilt, ich solle einen niedergelassenen Orthopäden aufsuchen. Erst nach mehrfachen Hinweisen darauf, dass ich kaum noch laufen, geschweige denn die Treppen in meinem Haus bewältigen könne, wurde mir ein Arzt vorbeigeschickt. Gut eine weitere Woche später wurde ich von meinem Dialysearzt über die Notaufnahme ins Krankenhaus eingewiesen. In der Rettungsstelle wurde ich erst stundenlang mit akuten Schmerzen allein gelassen und als ich endlich um Hilfe bat, komplett ignoriert. Zu der Zeit war Laufen für so gut wie gar nicht mehr möglich, dennoch sollte ich wieder entlassen werden. Erst nach mehrmaligem Hinweis auf meine hilflose Lage zu Hause wurde ich auf die Station gebracht. Dort wurde mir nach diversen Tests eine diabetische Polyneuropathie diagnostiziert. Trotz meiner andauernden Einwände, dass meine Symptome dem nicht entsprechen, wurde ich mit diesem Befund, aber ohne Arztbrief, entlassen. Diesen bekam ich erst auf telefonische Anfrage und Wochen später. Die speziell angeforderte Herausgabe der Laborwerte einer Lumbalpunktion wurde mir verweigert, mit dem Kommentar, meine Ärzte könnten damit ohnehin nichts anfangen. Erst durch einen Trick und Wochen später konnte ich mir diese besorgen. Im Nachhinein erfuhr ich dadurch, dass meine tatsächliche Krankheit dort bereits bekannt gewesen sein muss. Mit ständig stärker werdenden Symptomen – zu Hause konnte ich nur noch im Bett liegen und hatte starke Schmerzen – und keiner Aussicht auf Besserung entschied ich mich, die Dialysebehandlung abzubrechen. Daraufhin wurde ich, wegen akuter Selbstmordgefährdung, erneut in die Rettungsstelle eingewiesen, mit der Hoffnung, über diesen Umweg auch eine richtige Diagnose zu erhalten. Mit KTW und im Krankenstuhl angekommen, wurde von der dortigen Oberschwester erst einmal quer durch den Warteraum gerufen, dass ich mit meiner Selbstmordgefährdung in der falschen Rettungsstelle wäre. Aus Termingründen konnten mich die Sanitäter jedoch nicht wieder mitnehmen und ich durfte doch erst einmal dort bleiben. Aus völliger Verzweiflung und da mir kaum etwas anderes übrig blieb, habe ich meine Symptome gegoogelt. Obwohl ich dabei sehr skeptisch vorging, bin ich auf ein seltenes Syndrom gestoßen. Dem Arzt in der Rettungsstelle gegenüber erwähnte ich, dass ich natürlich nicht weiß, ob ich tatsächlich diese Krankheit, jedoch genau diese Symptome habe. Anschließend wurde ich noch einem Psychiater vorgestellt. Schnell wurde mir klar, dass es bei diesem Gespräch aber weniger um den Einweisungsgrund ging als um die angeblich selbst gestellte Diagnose. Schnell hieß es, ich leide unter Depressionen und würde mir die Symptome nur einbilden. Gegen zwei Uhr nachts wurde ich entlassen, trotz „schwerer Depressionen“ und obwohl bekannt war, dass ich allein lebe. Im Arztbrief hat man sich über meinen Hinweis auf das seltene Syndrom lustig gemacht und ich solle mir einen Termin bei der Psychosomatik besorgen. Das tat ich etwas später tatsächlich und mir wurde endlich bestätigt, dass ich eine schwere Krankheit habe und mir nichts einbilde. Nach dem „Rausschmiss“ aus dem KH gelang es meinem Dialysearzt, einen Termin in einem anderem Klinikum zu besorgen und mich zu überzeugen, bis dahin „durchzuhalten“. Während dieser Zeit besuchte ich einen niedergelassenen Neurologen. Ich musste eine extrem erniedrigende Untersuchung über mich ergehen lassen, welche scheinbar nur darauf abzielte, mich als Lügner bloßzustellen. Zum krönenden Abschluss musste ich, am voll besetzten Wartezimmer vorbei, mich hilflos an der Wand entlangtastend und nicht wirklich auf den Beinen halten könnend, das Behandlungszimmer verlassen. Da mir ohnehin keine andere Wahl blieb, versuchte ich weiter, selbst herauszufinden, was mit mir nicht stimmte. So kam ich auf ein dem seltenen Syndrom sehr ähnlich und ebenfalls seltene Krankheit. Fünf Monate nach meinen ersten Symptomen wurde in einem Klinikum dann endlich mein Verdacht bestätigt. Sofort wurde ich mit einer Infusion behandelt und konnte tatsächlich bereits wenige Stunden später die ersten kleinen Besserungen feststellen. Nach diversen weiteren Infusionen sind heute nur noch wenige Symptome vorhanden, diese werden mich aber vermutlich den Rest meines Lebens begleiten. Durch eine schnellere Diagnose hätte ich gute Chancen gehabt, gar keine Folgen zurückzubehalten. Ohne Behandlung ist das eine tödliche Krankheit.

Gut gelaufen:

Keine Angaben

Schlecht gelaufen:

Statt dem Patienten zu glauben, wurde ich als Spinner abgestempelt

Verbesserungsvorschläge:

Dem Patienten zuhören und ruhig mal glauben

Weitere Infos:

Keine Angaben
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Infos zum Fall:

Perspektive:

Patientin oder Patient

Alter:

30-49 Jahre

Art der EInrichtung:

Ambulante Praxis, Arztpraxis, Ärztin oder Arzt beim Hausbesuch, Krankenhaus, Normalstation, Notaufnahme

Geschlecht:

männlich

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